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1. ISLAM
Sachgemäß ist es zu sagen:
l Abgeleitet
ist islãm vom IV. Stamm der Wurzel s-l-m, was „heil sein“,
„unversehrt sein“ bedeutet. Zum Inhalt des Stammwortes gehört auch der Begriff „Friede“(arab.:
salãm, hebr.: shalom). Der Aspekt „Unterwerfung unter den Willen
Gottes“ ist darin nicht enthalten.
l Im
koranischen Sinne enthält das Wort „Islam“ einen ausschließenden und
einschließenden Aspekt. Der ausschließende Aspekt, als Ausgangsbasis der
Botschaft Muhammads gegenüber dem Polytheismus, bestimmt den Wesensgehalt des
Begriffs: Keine andere Wesenheit als der EINE Gott darf als Gottheit verehrt
werden. Das kommt sowohl im Glaubensbekenntnis zum Ausdruck („Es gibt keine
Gottheit außer dem Einen Gott, Muhammads ist der Gesandte Gottes“), als auch in
verschiedene Koranversen.
l Der
einschließende, positive Aspekt ist geprägt von der großen Ehrfurcht von Gott.
Anbetung und Verehrung gelten allein ihm als dem Schöpfer und Erhalter von
Himmel und Erde. Das wird besonders deutlich im „Thronvers“ (Sure 2.255).
l Diese
freiwillige Gottausgerichtetheit (= Islam) manifestiert sich im Glauben
und Handeln. In diesem Sinne umfasst die islamische Lehre keineswegs nur
rituelle Handlungen Gott gegenüber, sondern das gesamte menschliche Leben.
l Islam
bedeutet also die unmittelbare Beziehung des Menschen zu dem einzigen Gott, was
als strikter Monotheismus bezeichnet wird.
l Diese
Überzeugung bildet die Grundlage für eine positive und respektvolle Haltung des
Islam gegenüber den sog. „Schriftbesitzern“ Abraham, Moses, Jesus – alle
Verkünder eines Eingottglaubens und deren Anhänger – werden im Koran unter
dieser Bezeichnung subsumiert.
l Die Ablehnung
einer Erbschuld des Menschen und die Überzeugung, dass der Mensch mit einer
naturgegebenen guten Anlage der Gottausgerichtetheit (dĩ alfițra) geboren
wird, sowie die Folgerung aus einem strikten Monotheismus, dass zwischen
Menschen und Gott kein Vermittler notwendig ist, dass vielmehr ein solcher diese
unmittelbare Wechselbeziehung zwischen Gott und Mensch belasten würde, lässt
di facto keinen Raum für einen Erlösungsgedanken im christlichen Sinne. Die
islamische Mensch-Gott-Beziehung ist nicht bestimmt von Sünde und Erlösung,
sondern von Reue und Vergebung.
l Aufgabe des
Menschen ist es, im diesseitigen Leben die Nähe Gottes (qurbat ila Allãh)
zu suchen. Jede rituelle Handlung und jede gute Tat muss von diesem Bestreben
geprägt sein. Aus den Handlungen und Werken des Menschen leitet sich aber kein
„Recht auf Belohnung“ ab; die Beziehung zu Gott ist vielmehr bestimmt durch
Hoffnung und Vertrauen auf die göttliche Güte und Barmherzigkeit.
l Islam
definiert sich nicht als Unterwerfung eines ohnmächtigen Menschen unter die
Allmacht Gottes; bedeutet auch keine Unterordnung unter seinen unberechenbaren
Willen (Willkür). Aufgabe des Menschen ist es vielmehr, seiner ursprünglichen
und natürlichen Bestimmung gerecht zu werden: Bei der Suche nach der Nähe Gottes
den seit der Erschaffung Adams in jedem Menschen vorhandenen göttlichen Geist
zur Entfaltung zu bringen. Der Koran sagt:
Wenn ich ihn
(Adam) geformt und ihm von meinem Geist eingeblasen habe, dann fallt (Engel) und
Werft euch
vor ihm nieder. (Sure 15,29)
l Der Islam ist
keine Gesetzes- und Werkreligion; keine Religion „von unten“, bei der der Mensch
um die Belohnung durch Gott feilschen muss. (Häufig postuliert als Gegensatz zum
Christentum, wo der Mensch als „Kind Gottes“ auf die Güte des Vater-Gottes
vertrauen darf.) Der Islam ist eine Religion der Barmherziges Wort der
Rechtleitung (Koran: hudan wa raḥma = Rechtleitung und Barmherzigkeit)
die Menschen.
Wir haben
dich (Muhammad) nur als eine Barmherzigkeit für die Weltbewohner gesandt. (Sure
21,107)
Die von den Muslimen geforderten Handlungen sind nur die
Verwirklichung des monotheistischen Glaubens durch die Tat. Die dazu im Koran
festgelegten Vorschriften sind als Hilfen für die Verwirklichung dieses Auftrags
an den Menschen zu verstehen.
Unsachgemäß ist:
l Das
Verhältnis zwischen Mensch und Gott als ein Verhältnis zwischen Sklaven und
Unterdrücker zu definieren und eine solche Unterstellung direkt oder indirekt in
eine Definition des Islam (Unterwerfung unter den Willen Gottes) aufzunehmen;
l aus dem
islamischen Gottesbild einseitig den Aspekt des göttlichen Willens (bzw. sogar
der Willkür) in den Vordergrund zu stellen und zu behaupten, dass der Mensch
sich wie ein Knecht gegenüber seinem Herrn blind unterwerfen muss;
l aus der
Definition von Islam einen Fatalismus abzuleiten;
l aus einem
auch dem Judentum und Christentum gemeinsamen Phänomen des „Gehorsams gegenüber
Gottes Willen“ beim Islam eine blinde, macht- und rechtlose Sklavenmentalität
abzuleiten;
l für das
Christentum eine personale, dialogische, gefühlvolle Mensch-Gott-Beziehung zu
behaupten, dem Islam jedoch in Gegensatz dazu eine geschäftsmäßige,
gefühllosmechanische Mensch-Gott-Beziehung zu unterstellen.
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