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Der Unterschied zwischen Din und Schari'a
Geschwister im Islam! In der religiösen Sprache
hören und benutzen wir oft zwei
bestimmte Wörter: Din und Schari'a.
Aber nur sehr wenige verstehen deren wahre
Bedeutung. Nicht nur Analphabeten, selbst hoch
gebildete Muslime und auch viele
religiöse Gelehrte kennen nicht den genauen
Unterschied zwischen beiden Ausdrücken.
Wegen dieser Unwissenheit werden Din und
Schari'a oft miteinander verwechselt und verursachen große Verwirrung.
Die Bedeutung von Din
Das Wort "Din" wird in mehreren Bedeutungen
verwendet. Die erste Bedeutung ist
Oberhoheit, Macht, Herrschaft, Königtum oder
Regierung. Die zweite ist ganz
gegensätzlich, z. B. Unterordnung, gehorsam.
Dienen oder Unterwerfung. Die dritte
Bedeutung ist: abrechnen, urteilen oder
Vergeltung mit Belohnung bzw. Strafe. Im Koran wird das Wort in all diesen drei
Bedeutungen verwendet.
Allah sagt: Wahrlich, der [wahre] Din bei
Allah ist der Islam [die völlige Hingabe!. (Sure 3:19)
Hier beinhaltet Din die Lebensweise, in
der wir allein Allah als den Inhaber jeglicher
Macht und Majestät anerkennen und uns Ihm
unterwerfen. Wir dürfen uns vor
niemandem erniedrigen oder Demut zeigen außer
Ihm. Wir dürfen nur Allah als Herrn, Oberhaupt und Herrscher betrachten und
niemals Sklave oder Diener von jemand anderem sein. Wir dürfen nur Allah als den
Herrn von Lohn und Strafe betrachten. Wir dürfen keine Belohnung erstreben und
keine Strafe fürchten außer der Seinigen. Der Name dieser Lebensweise, dieser
Din, ist Islam.
Eine falsche Form von Din entsteht, wenn
man jemand anderem neben Allah
tatsächliche Macht zuschreibt, wenn man jemanden
als seinen wahren Gebieter und
sein Oberhaupt annimmt, ihn als Quelle von
Belohnung und Strafe betrachtet, vor diesem sein Haupt in Demut beugt, ihm
dient, seinen Befehlen gehorcht, Belohnung von ihm erwartet und seine Strafe
mehr fürchtet als die Allahs. Diese Art von Din wird Allah deshalb
niemals annehmen, weil sie der Wirklichkeit widerspricht.
Kein Wesen im ganzen Universum außer Gott ist
der Besitzer von Macht und Kraft, und keine Herrschaft noch Oberhoheit bestehen
außer der Seinigen. Der Mensch wurde nicht erschaffen, um Diener und Sklave
eines anderen außer Gott zu sein. Noch gibt es jemand anderen außer dem wahren
Herrn, der uns richten und uns belohnen oder bestrafen kann. Diese Tatsache wird
in vielen Versen im Koran erklärt: Und wer einen anderen Din als den Islam
begehrt: nimmer soll er von ihm
angenommen werden, und im Jenseits wird er unter
den Verlierern sein, (Sure 3:85)
Jeder, der demnach die Herrschaft und das
Königtum Gottes mißachtet, jemand
anderen als seinen Herrn und Meister anerkennt,
sein Diener und Sklave wird, irgend
jemand anderen aus eigenem Recht als den
Verteiler von Belohnung und Strafe
betrachtet, dessen Verhalten bzw. Din
wird niemals von Gott angenommen werden,
denn der Koran sagt: Und doch war ihnen
nichts anderes befohlen worden, als Allah treu in lauterem Glauben zu
dienen [und sich von falschen Göttern abzuwenden]...Und das ist der
wahrhafte Din. (Sure 98:5) Gott hat die Menschen nicht geschaffen, damit sie
jemand anderem dienen. Daher müssen sie sich von allen falschen Göttern abwenden
und ihre Unterwerfung oder ihren wahren Din allein Allah vorbehalten. Sie
sollen sich aufrichtig Seinem Dienst widmen und sich nur ihm gegenüber als
verantwortlich betrachten: Verlangen sie etwa einen anderen als Allahs Din?
Ihm ergibt sich, was in den Himmeln ist und auf der Erde, gehorsam oder
wider Willen, und zu ihm kehren sie zurück. (Sure 3:83)
Wie kann der Mensch jemand anderem als Gott
dienen und Ihm ergeben sein, wo doch alles in den Himmeln und auf Erden Allah
untergeben und gehorsam, und für seine Taten niemand anderem als Gott
verantwortlich ist? Versucht der Mensch, einen eigenen Weg einzuschlagen und im
Widerspruch zum ganzen Universum ein eigenes unabhängiges und ungebundenes
Dasein zu führen?
Er ist es, der Seinen Gesandten mit der
Rechtleitung geschickt hat und dem
wahren Din, auf daß Er ihn über alle (anderen
Arten von) Din siegen lasse;
mag es den Götzendienern auch zuwider sein.
(Sure 9:33)
Allah hat Seinen Gesandten mit dem wahren Din
geschickt, um die Herrschaft aller
falschen Götter zu beenden und den Menschen die
Freiheit zu schenken, als Diener von niemandem außer dem Herrn der Welten leben
zu können ungeachtet wie sehr dies den Ungläubigen und denjenigen, die
Vielgötterei betreiben, mißfällt und wie sehr sie diesen Weg bekämpfen mögen.
Und kämpft gegen sie, damit keine Verführung
[gegen Gott] mehr stattfinden
kann, und bis Din auf Allah allein gerichtet
ist. (Sure 8:39)
Die Botschaft hiervon ist klar: wir müssen uns
einsetzen, bis die Oberherrschaft aller
anderen außer Allahs beseitigt ist, bis allein
Sein Wille und Seine Oberhoheit anerkannt sind und die Menschen ausschließlich
Ihm dienen.
Daraus gehen folgende Bedeutungen von Din
hervor:
• Gott als Herrn und Herrscher anzuerkennen.
• Nur Ihm gehorsam sein und dienen.
• Ihm gegenüber verantwortlich sein, nur Seine
Strafe fürchten und Seinen Lohn erwarten.
Da die Gebote Gottes der Menschheit durch Bücher
und Gesandte vermittelt wurden, ist es ein notwendiger Bestandteil des Din,
diesen Gesandten zu gehorchen.
Oh Kinder Adams, wenn zu euch aus eurer Mitte
Gesandte kommen, die
euch Meine Zeichen verkünden, dann soll über
diejenigen, die dann gottesfürchtig sind und gute Werke tun, keine Furcht
kommen, noch sollen sie traurig sein. (Sure 7:35)
Niemand erhält die Gebote Gottes direkt. Wer
also Allah als Herrscher anerkennt, kann nur dann als Ihm gegenüber
gehorsam bezeichnet werden, wenn er auch Seinen Gesandten gehorcht und
der Rechtleitung folgt, die er durch sie erhalten hat.
Die Bedeutung von Schari'a
Schari'a
bedeutet "Weg" oder "Pfad**. Man tritt in die
Religion {Din} ein, wenn man Gott als seinen Herrn anerkannt, es annimmt,
Ihm zu dienen und anerkennt, daß der
Gesandte mit Macht in Seinem Namen ausgestattet
ist und das Buch von Allah erhalten hat. Die Form, in der man dann Gott zu
dienen hat, und der Weg, den man geht, um Ihm zu gehorchen, heißt Schari'a.
Auch dieser Weg oder Pfad wurde dem Gesandten
durch Gott gezeigt. Er lehrt uns, wie wir den Herrn anzubeten haben, wie wir
unsere Körper und Herzen reinigen sollen, was Rechtschaffenheit und Frömmigkeit
ist, wie wir unsere Pflichten erfüllen, Geschäfte abwickeln und mit unseren
Mitmenschen umgehen sollen - kurz:
Er lehrt uns, wie wir unser
gesamtes Leben zu führen haben.
Das Wesen des Unterschieds zwischen Din und
Schari'a
Der
entscheidende Unterschied zwischen
Din
und
Schari'a
ist folgender:
Während die Religion (Din) immer
die gleiche war und ist, wurden zahlreiche Schari'as geoffenbart. Einige
wurden aufgehoben bzw. abgeändert, aber diese Änderungen ließen den Dm
unberührt.
Der Din von Noah war der gleiche wie der
von Abraham, Moses, Jesus, Schu'aib, Hud, Salih und Muhammad (s), aber ihre
Schari'as unterschieden sich voneinander in gewissem Maße. Die
vorgeschriebene Art des Gebets und des Fastens waren.
verschieden. Ebenso unterschieden sich Gebote
über Erlaubtes{Halal} und Verbotenes (Haram),
Reinheitsvorschriften, Heirats-, Scheidungs- und Erbgesetze. Trotzdem waren und
sind die Anhänger von Noah, Abraham, Jesus und Moses und auch wir alle Muslime.
Denn die Religion (Din} ist von allen die selbe, ungeachtet der
Unterschiede in den Regelungen und Gesetzen der Schari'a. Die Religion
bleibt gleich, auch wenn sich die genauen Details ihrer praktischen Ausübung
unterscheiden. Ein Beispiel soll den Unterschied zwischen Din und
Schari'a verdeutlichen: Nehmen wir an, eine Person besitzt viele Diener.
Diejenigen davon, die ihren Herrn nicht anerkennen und seinen Befehlen nicht
gehorchen, können nicht als dessen Diener betrachtet werden. Nur diejenigen,
welche ihn als Herrn anerkennen und es als ihre Pflicht betrachten, seinen
Befehlen zu gehorchen, zählen zu seinen Dienern; die Pflichten, die sie
erfüllen, und die Art ihres Dienens mögen sich dabei voneinander unterscheiden.
Wenn der Herr einem Diener eine bestimmte Form des Dienens gezeigt hat und einem
anderen eine andere Form, so hat keiner das Recht, sich alleine als einen wahren
Diener zu betrachten. Auch wenn zwei Diener den Befehl ihres Herrn auf
unterschiedliche Weise verstehen und beide versuchen, ihn auf ihre eigene Art
zu verwirklichen, so gelten sie beide als aufrechte Diener. Zwar ist es
möglich, daß der eine die Bedeutung des Befehls mißverstanden und der andere den
Sinn richtig erfaßt hat, aber solange sich keiner weigert, dem Befehl an sich zu
gehorchen, kann niemand jenen als ungehorsam bezeichnen und versuchen, ihn zu
entlassen. An diesem Beispiel kann man den Unterschied zwischen Din und
Schari'a sehr gut verstehen. Vor dem Propheten Muhammad (s) hatte Allah
verschiedene Gesetze (Schari'a) durch verschiedene Propheten herabgesandt.
Bestimmte Formen des Dienens wurden jeweils durch einen Propheten verkündet.
Alle, die ihrem Herrn entsprechend einer dieser Formen gedient haben, waren
Muslime. Als der Prophet Muhammad (s) kam, sagte Gott: Ab jetzt hebe ich alle
bisherigen Gesetze auf. Wer mir von nun an dienen will, muß dem Gesetz folgen,
das ich meinem letzten Propheten verkünde.
Ab diesem Zeitpunkt hat kein Diener mehr das
Recht, sich entsprechend einem älteren Gesetz zu verhalten. Sollte er es dennoch
tun, so gehorcht er nicht dem Willen seines Herrn, sondern seinem eigenen
Gutdünken. Solch eine Person kann nicht mehr als Diener bezeichnet werden - er
wird zum Kaßrpar
ALS MUSLIM LEBEN
Autor: Sayyid Abul A ´ la Maududi
S. 55-58
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