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5. Muhammad

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5. Muhammad

 

5.1 Kindheit und Jugend

 

Sachgemäß ist es zu sagen:

 

l Muhammad wurde um 570-1 n. Chr. geboren. Er war das jüngste Mitglied einer Großfamilie der Sippe Haschim aus dem Stamm der Quraisch. Dieser angesehene und überregional bedeutsame Stamm – und besonders die Sippe Haschim – hatte u. a. wichtige religiöse und gesellschaftliche Funktionen inne, zum Beispiel die Versorgung der Pilger des Hadsch in Mekka mit Wasser und Nahrung. Als Muhammad geboren wurde, lag dieses Amt in den Händen seines Großvaters ͨ Abdal-Muṭṭalib (geb. ca. 497 n. Chr.).

 

l Zum großen Hadsch, der zeitlich mit dem großen Markt zusammenfiel, kamen unter dem Schutz des „Gottesfriedens“ Vertreter verschiedener Religionen zusammen (u. a. Juden, Christen, Sabäer, Hanifen, Zoroastrier).

 

l Muhammads Vater ͨ Abdullah, der bereits mit 25 Jahren, wenige Monate vor Muhammads Geburt, in Medina starb, war der Sohn des kinderreichen ͨ Abdal-Muṭṭalib.

 

l Muhammads Mutter Amina starb, wahrscheinlich im Alter von 20 bis 30 Jahren, 576 n. Chr., als Muhammad sechs Jahre alt war.

 

l Nach dem Tod von Muhammads Großvater im Jahre 578 n. Chr. übernahm dessen Sohn Abu Talib, Muhammads Onkel das höchste Amt in Mekka und die Vormundschaft für seinen Neffen. Bis zum Tode des Onkels 619 n. Chr. blieb Muhammad unter  seinem Schutz.

 

l Muhammad war zwar sehr früh Vollwaise, wuchs aber keineswegs hilflos in ärmlichen Verhältnissen auf. Als Stammesmitglied stand er unter dem Schutz seiner Sippe. Wie jedes andere Kind auch nahm er am Alltagsleben der Familie teil. Als Jüngster hütete er, wie andere Kinder auch, die Schafe und Kamele seiner Großfamilie. Später erlernte er bei seinem Onkel den Beruf des Kaufmanns. Die häufig als Hinweis auf die vermeintliche Armut Muhammds zitierte Sure 53,8 zielt nicht auf den Unterschied zwischen Armut und Reichtum, sondern auf die Geisteshaltung der Hilfsbedürftigkeit  bzw. des Gottesvertrauen ab. Muhammad besaß nichts und hat auch nichts hinterlassen. Diese Hervorhebung ist besonders wichtig als Zeichen des Prophetentums, von weltlichen Gütern unabhängig zu sein. Man denke hierbei u. a. an Moses und Jesus.

 

 

Unsachgemäß ist:

 

l dass Muhammad in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist und seine Haupttätigkeit darin bestand, Schafe und Ziegen zu hüten. Er lernte weder lesen noch schreiben. Ab und zu beteiligte sich der junge Mann an Karawanenzügen als Kameltreiber;

 

l seine Rolle innerhalb der Sippe abzuqualifizieren, um daraus die spätere Entwicklung als Produkt eines Karriere- und Machtbedürfnisses abzuleiten. Dazu zählen Aussagen wie:

- Er stammte aus einer angesehenen, aber verarmten Familie.

- Muhammad wuchs bei lieblosen Verwandten auf.

- Da seine Familie schon früh verstarb, musste er als Ziegenhirte und Kameltreiber notdürftig

  ein ärmliches Leben führen.

- Er musste sich in seiner Jugendzeit als Ziegenhirte und Kameltreiber notdürftig

   durchschlagen.

- Der Kameltreiber und Lohndiener Muhammad gehörte einem verarmten Seitenzweig der

   Quraisch an.

- nach dem frühen Tod seiner Eltern wurde er Hirte, dann Kameltreiber usw.

 

 

 

 

5.2 Berufsausbildung und Familiengründung

 

Sachgemäß ist es zu sagen:

 

l Muhammad wurde als Zwölfjähriger von seinem Onkel in den Beruf des Kaufmanns eingeführt. In dessen Obhut erlebte er die vielfältigen religiösen Auffassungen und Bräuche der Pilger in Mekka und war an deren Betreuung beteiligt.

 

l Als fachlich ausgebildeter Geschäftsmann und Händler besaß Muhammad einen so guten Ruf, dass er al-amīn (= der Treue, der Zuverlässige) genannt wurde.

 

l Die (angeblich) vierzigjährige Geschäftsfrau Chadidscha vertraute ihrem Geschäftspartner Muhammad auf ausgedehnten Handelsreisen nach Syrien ihr Kapital an, höchstwahrscheinlich unter der Maßgabe, dass die Gewinne anteilmäßig entsprechend ihrem Kapital und der Leistung Muhammads aufgeteilt würden. Diese Form der Geschäftsverbindung (muḍāraba) war in der arabischen Gesellschaft sehr gebräuchlich.

 

l Muhammads Fähigkeiten, seine Aufrichtigkeit und sein gesellschaftliches Ansehen brachten ihm die Achtung Chadidschas ein, die den 25jährigen ihren Ehewunsch antrug.

 

l Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne, die als Kinder starben, und vier Töchter hervor. Auf die jüngste Tochter Fatima (geb. 605 n. Chr.) gehen alle Nachkommen Muhammads zurück.

 

 

Unsachgemäß ist es:

 

l dass Muhammads als Kameltreiber bei Karawanenzügen die reiche Kaufmannswitwe Chadidscha kennen lernte, die ihn in ihr Geschäft aufnahm;

 

l dass die Heimat mit der reichen Witwe Chadidscha ihm ein arbeits- und sorgenfreies Leben ermöglichte und die Gelegenheit, über weitere Pläne, Macht und Reichtum zu erlangen, nachzusinnen.

 

l dass Muhammad erst nach seiner Heirat mit Chadidscha Gelegenheit hatte, als Händler durch Arabien und die benachbarten Länder zu reisen;

 

l dass Muhammads durch seine Heirat mit einer reichen Kaufmannswitwe ein ansehnliches Vermögen gewonnen hat, das es ihm ermöglicht hätte, sorgenfrei zu leben, dass er aber begann darüber nachzugrübeln, wie der Mensch vor Gottes Gericht bestehen könnte.

 

 

 

5.3 Berufung: Mekkanische Zeit

 

 

Sachgemäß ist zu sagen:

 

 

l Gegenüber den religiösen Traditionen und den gesellschaftlichen Zuständen seines Volkes war Muhammad sehr kritisch eingestellt. Schon vor seiner Berufung zum Propheten (610 n. Chr.) neigte er dem Monotheismus zu, wie auch andere Gesellschaftskritiker vor ihm.

 

l Neben seiner Tätigkeit als Großkaufmann zog er sich immer wieder in die Abgeschiedenheit zurück. Diese als religiöse Handlung, als Hinwendung zu einem einzigen Gott verstandene Zeit der Meditation und des Gebetes haben vor ihm bereits viele Kritiker der Vielgötterei praktiziert. Muhammad wählte für seine meditative Einsamkeit eine Höhle vor dem Berg al-Hara, 12 km nördlich von Mekka. Dort hatte er auch 60 n. Chr., im Monat Ramadan, sein erstes Berufungserlebnis.

 

l Muhammad warf ein Mensch, kein Gott bzw. Halbgott. Nur seine Funktion als Gesandter hebt ihn aus den anderen Menschen hervor. Er gilt aber nicht als „Mittler“ zwischen den übrigen Menschen und Gott, wie z. B. Jesus Christus und wird von den Muslimen auch nicht als „Religionsstifter“ verstanden. Als solcher gilt allein Gott.

 

l Muhammad sieht sich selbst in einer Reihe von Propheten und Gesandten, die vom Anfang der Zeiten an den Glauben an den Einen Gott verkündet haben (Abraham, Moses, Jesus u. a.). Er versteht sich als jemand, der die im Laufe der Geschichte verfälschte und mit fremden Elementen vermengte ursprüngliche göttliche Offenbarung wiederherstellt. Muhammad gilt nach dem Koran als der letzte rasūl (= Gesandter) Allahs, als „Siegel der Propheten“ (Sure 30,43), der die durch die göttliche Offenbarung verknüpfte historische Beziehung zu seinen Vorgängern weiterführt und beschließt.

 

l Zur Bewertung der Glaubwürdigkeit von Muhammads Sendungsbewusstsein sei der Islamwissenschaftler Albrecht Noth zitiert: „Zu Muhammads Eigenschaft als Gesandter Gottes (rasūl Allah) ist hier nur soviel zu sagen, dass an der subjektiven Ehrlichkeit dieses Selbstverständnisses Muhammads überhaupt nicht zu zweifeln ist; dafür hat ihm das Bewusstsein seiner Sendung – dies ist in den Quellen noch sehr deutlich spürbar – viel zuviel innere Zerrissenheit und äußere Schwierigkeiten bereitet.“ (Albrecht Noth, Früher Islam; in: Geschichte der arabischen Welt, S. 18).

 

l Muhammad fühlte sich von Gott beauftragt, als munḏir (= Warner) die von ihm kritisierte Glaubens- und Lebensweise seiner Umwelt zu ändern.

 

l Seine Warnungen konzentrierten sich vor allem auf drei Schwerpunkte, die als „Kampfansage“ zu bewerten sind:

- gegen den Polytheismus

- gegen die gesellschaftliche Ungerechtigkeit

- gegen die Unwissenheit mit all ihren nachteiligen Folgen.

 

l Als Muhammad seine Botschaft zunächst an die eigene Sippe und dann an die Quraisch in Mekka richtete, erfuhr er heftige Ablehnung. Man sah sich durch die neue Lehre in der Existenz gefährdet. Intrigen, Belästigungen, Schikanen gegenüber Anhängern der neuen Botschaft waren an der Tagesordnung. Besonders den muslimischen Sklaven drohte qualvolle Folter. Dennoch gewann der Islam immer mehr überzeugte Anhänger. Den Bedrohungen suchte ein Teil der Muslime durch zwei Auswanderungszüge nach Äthiopien (615 und 617) zu entgehen. Muslimischen Berichten zufolge wurden sie vom christlichen Herrscher freundlich aufgenommen. Erst 625, 626 und 629 kamen sie in einzelnen Gruppen nach Medina zurück.

 

 

Unsachgemäß ist:

 

l dass Muhammad nicht ehrlich war, sondern ein Betrüger, ein machtgieriger Politiker (vom Epileptiker-Vorwurf älterer Zeiten einmal ganz abgesehen), mit der daraus abgeleiteten Folgerung des berechnenden Machtstrebens und der negativen Bewertung seines Handelns;

 

l dass Muhammad, als er mit etwa 40 Jahren als religiös-sozialer Reformator auftrat, eine religiöse Gedankenwelt entwickelt hatte, die altarabische, jüdische, christliche und gnostische Ideen enthielt und vermengte;

 

l dass Muhammad keine universale Zielsetzung hatte, sondern – analog zu der Thora der Juden – ein für das arabische Volk bestimmtes Buch bringen wollte;

 

l aus der koranischen Aussagen, dass Muhammad nur ein Mensch war, zu folgern, dass seine Lehren gegenüber dem Christentum minderwertig seien;

 

l Muhammad einseitig nur als „Sprachrohr Gottes“ zu bezeichnen (obwohl das in Bezug auf die Autorschaft des Korans korrekt ist) und zu leugnen, dass er sich mit der gesamten Offenbarung identifizierte und selbst durch sein Reden, Denken und Tun verwirklichte (was nach dem Koran ein Ergebnis der Rechtleitung Gottes ist);

 

l aus dem ausschließlichen Menschsein Muhammads zu folgern, dass er der Übertretung und Verletzung göttlicher Gebote schuldig wurde.

 

 

 

5.4 Hidschra/Auswanderung Muhammads und die medinensische Zeit

 

 

Sachgemäß ist zu sagen:

 

l Obwohl der Druck auf Muhammad und die in Mekka gebliebenen Muslime (meist Quraisch und Angehörige anderer größerer Stämme) ständig zunahm, war ein direkter Angriff nicht zu erwarten. Denn Muhammad stand unter dem Sippenschutz seines Onkels und Ersatzvaters Abu Talib, der unter den Quraisch und den anderen arabischen Stämmen großes Ansehen genoss, und seiner Frau Chadidscha. Erst Abu Talibs Tod und, kurze Zeit später, der Tod Chadidschas beeinträchtigte die Sippenschutzverpflichtungen der Quraisch, die in der neuen Lehre eine Gefahr für ihren Einfluss und ihre Geschäfte sahen.

 

l Die unerträgliche Situation in Mekka einerseits und der an Muhammad herangetragene Wunsch der Medinenser nach einem unparteiischen, stammesfremden Schlichter der ausweglos erscheinenden, jahrzehntelangen Konflikte zwischen unnerarabischen, innerjüdischen und arabisch-jüdischen Stämmen anderseits, gaben den Anlass für die Auswanderung (hiǧra / Hidschra) der Muslime aus Mekka am 16. Juli 622 n. Chr. Dem Beschluss gingen zwei geheime Treffen medinensischer Vertreter mit Muhammad in Mekka voraus.

 

l Überwiegend bestimmten zwei Hauptphänomene die medinensische Zeit:

a) die fortdauernde Verfolgung Muhammads und seiner Anhänger durch die mekkanischen Polytheisten,

b) die Bildung der Umma, einer straff strukturierten Gemeinschaft.

 

l Das Hauptproblem für die Muslime in Medina blieben bis 630, zwei Jahre vor Muhammads Tod, die Angriffe der mächtigen polytheistischen Mekkaner (vor allem der Quraischiten), die alles daransetzten, Muhammad und die Muslime zu beseitigen.

 

l Die Folge der Feindseligkeiten waren kriegerische Auseinandersetzungen, von denen auch der Koran eine Reihe von Belegen liefert. Wenn der Koran von qitāl (Schlacht) und ḥarb (Krieg) spricht, ist von diesen Kämpfen mit Mekkanern die Rede.

 

l Das Ansehen Muhammads bei den Medinensern gründete sich auf zwei Faktoren: Alle Medinenser, auch beispielsweise die Juden, sahen in ihm eine Autorität. Bei den Muslimen galt er darüber hinaus als Prophet.

 

l Als von allen anerkannte Autorität schloss Muhammad 623 n. Chr. den Gemeindevertrag von Medina ab, der Juden und Muslime als gleichberechtigte Vertragspartner anerkannte. Entscheidend ist dabei die Feststellung, dass er für Juden und Muslime das Recht festschrieb, den eigenen Glauben beizubehalten. Damit wurde durch das Abkommen eine einheitliche Gemeinde konstituiert, in der – unbeschadet der Einheit – zwei geistige Strömungen gleichberechtigt nebeneinander wirkten. Der einigende Faktor war die umma (= Gemeinschaft), die allein das neue Gebilde trug. Im Vertrag heißt es: „ Die Juden von Banu Aws sind eine umma mit den Gläubigen. Die Juden haben ihren Glauben (dinahum) und die Muslime ihren Glauben.“

 

l Alle am Vertragsabschluß beteiligten arabischen und jüdischen Stämme waren Teil dieser Umma und zu deren Bewahrung und Schutz verpflichtet (diese Schutzverpflichtung war der einzige Inhalt des Abkommens). Die gemeinsame Pflicht zur Einhaltung dieses Abkommen beinhaltet gleichzeitig, dass ein Verstoß gegen den Bruch der gesamten Vereinbarungen zur Folge haben sollte, und zwar mit allen Konsequenzen, die für Vertragsbrüche innerhalb der tribalen Strukturen gültig waren.

 

l Die auf dem Abkommen aufgebaute Strukturierung der Umma wurde zum Idealbid für spätere Staatsstrukturen, die auf dem Islam aufbauten. Sie begründete die islamische Vorstellung von der Einheit von Staat/Politik und Religion; Politik im Sinne einer Gesellschaftsordnung mit islamischem Inhalt und nicht – wie oft missverstanden – von Herrschaftsanspruch besonderer Personengruppen oder Institutionen.

 

l Dazu trug die Tatsache bei, dass die Tendenz in Medina – im Gegensatz zur Zeit in Mekka – von einer fortschreitenden Islamisierung der dort lebenden tribalen Gruppen gekennzeichnet war, und dies ohne jede Gewaltanwendung.

 

l Kennzeichnend für die Umma war eine paritätisch konstituierte Gemeinschaftsführung. Alle Mitglieder der Gemeinschaft tragen die Verantwortung für die Umma. Organisatorisch übernahmen nach Muhammads Tod Gemeindevorsteher (Kalife) im Auftrag der Gemeinde die Hauptverantwortung.

 

 

Unsachgemäß ist:

 

l die (lange vorbereitete und mit den Medinensern abgesprochene) Auswanderung (Hidschra) von Mekka nach Medina im Jahre 622 n. Chr. als Flucht zu bezeichnen;

 

l Muhammad (und nicht seine mekkanische Feinde) als Initiator zahlreicher kriegerischer Auseinandersetzungen zu bezeichnen, der versucht habe, den Islam mit Gewalt auszubereiten;

 

l zu behaupten, Muhammad und die Muslime nahmen Gewalt und Krieg in den Dienst ihrer heiligen Sache;

 

l Muhammads frühe Kämpfe gegen die Mekkaner als heimtückische Raubüberfälle darzustellen;

 

l zu behaupten, dass Muhammad von Medina aus den Krieg gegen die nicht zum Islam gehörenden Sippen und Stämme eröffnet haben;

 

l zu behaupten, Muhammad habe sich im Laufe der Jahre vom ehrlichen Propheten in Mekka zu einem berechnenden Staatsmann und Organisator in Medina entwickelt, der die Herrschaft über ganz Arabien anstrebte und durch klare Normen und Gesetze die Grundlagen des Islam schaffte;

 

l zu behaupten: als er 632 starb, hatte Muhammad alle arabischen Stämme für den neuen Glauben gewonnen und war ihr König und Prophet;

 

l zu behaupten: Muhammad setzte Koranvorschriften (vor allem: Belohnung der Gläubigen im Jenseits, Höllenstrafen, Dshihad) als Mittel zum Erreichen absoluter Herrschaft und Macht ein.

 

 

 

5.5 Muhammad und seine Beziehung zu Polytheisten, Juden und Christen

 

 

Sachgemäß ist zu sagen:

 

 

l In den mekkanischen Koransuren werden neben der polytheistischen Bevölkerungsmehrheit auch Juden und Christen erwähnt. Da Mekka regionales und überregionales Kultur- und Handelszentrum war, ist die Anwesenheit von Vertretern beider Religionen zumindest in der Zeit der vorislamischen Hadsch und er Märkte zu vermuten.

 

l Insgesamt lässt sich die Haltung Muhammads gegenüber Juden- und Christentum einerseits und dem Polytheismus andererseits so zusammenfassen:

- Den Polytheisten gegenüber betont er konsequent die Bedeutung von Abraham, Moses und Jesus sowie anderer Propheten und deren Lehre – in der Weise, wie er sie für richtig hielt. 

   Nachdem er 630 n. Chr. ohne großen Widerstand nach Mekka zurückgekehrt war, ließ Muhammad die Götterbilder vernichten, leitete aber keine Zwangsbekehrung gegen die

   Polytheisten ein oder lies sie gar verfolgen und töten;

- Den Juden gegenüber verteidigte er die Reinheit Marias und die Gesandtschaft bzw. Prophetentum Jesu. Dabei vertritt der Koran eine eigene „Christologie“, die einerseits eine

   besondere Bezeichnung Jesu zu Gott (seine Zeugung durch den Geist, sein Wesen als „Wort“ und „Geist“ Gottes) betont, anderseits die Behauptung zurückweist, dass Jesus von

   den Juden gekreuzigt und getötet wurde.

- Den Christen gegenüber und im Rahmen christlich-jüdischer Auseinandersetzungen würdigt er die Leistung Moses und der anderen Propheten Israels.

- Besonders betont er den Ein-Gott-Glauben als einigendes Element, da alle Schrift-Religionen (die er als in einer Offenbarungstradition stehend verstand) verbindet.

 

l Trotz aller Auseinandersetzungen mit Juden und Christen plädiert einer der letzten Koranverse (Sure 5,5) – geoffenbart kurz vor dem Tod Muhammads – für die Koexistenz mit allen Schriftbesitzern. Die Tisch- und Ehegemeinschaft mit Juden und Christen wird hier empfohlen, die enge verwandtschaftliche Bindungen zur Folge hatte, was große Bedeutung für das menschliche Zusammenleben hatte. Diese Tatsachen, die von einem freundschaftlichen Verhältnis und gegenseitiger Achtung zeugen, sind ein Beweis dafür, dass nicht Glaubensfragen, sondern stets andere – gesellschaftliche, wirtschaftliche, machtpolitische – Gründe Anlass für Zwist untereinander gewesen sind.

 

l Die Koranstellen, die von gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der verschiedenen Religionen berichten, stellen historische Berichte dar, die sich auf konkrete, historisch nachweisbare, punktuelle Ereignisse beziehen. Sie stellen kein allgemeines Prinzip für die nachfolgende Zeit dar. Am deutlichsten wird dies daran, dass Muhammad nach seinem friedlichen Einzug in Mekka den Polytheisten uneingeschränkte Amnestie erteilte; wohlgemerkt: den Polytheisten als Polytheisten. Das zeigt, dass nach dem Koran nicht Krieg, sondern Frieden als Prinzip einer Koexistenz mit anderen Religionen gilt.

 

l Muhammads Verhältnis zu den Juden lässt sich am ehesten am Gemeindevertrag von Medina ablesen. Es war ein Ziel des Vertrages, durch Betonen des gemeinsamen Glaubens an einen einzigen Gott, alle jahrzehntelang schwelenden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, tribalen und machtpolitischen Zwistigkeiten zu überwinden und einen dauerhaften Frieden zu begründen. Historisch ist sicher, dass es zu Vertragsbrüchen gekommen ist, die nach den damals geltenden, von Arabern und Juden gleichermaßen akzeptierten tribalen Normen folgeschwere Konsequenzen hatte. Der Grund für die späteren Auseinandersetzungen in Medina ist also nicht im Prophetentum Muhammads oder dem Glauben der betroffenen Gruppen zu suchen. Denn dazu sind die Koranaussagen, die zu Koexistenz und gegenseitiger Achtung aufrufen, zu eindeutig. Die Ursache muss vielmehr in der komplizierten arabisch-jüdisch-christlichen Geschichte auf der arabischen Halbinsel zu suchen sein, in der Feindschaft aller gegeneinander (auch Juden gegen Juden und Araber gegen Araber) sowie in der Angst aller vor Verlust an wirtschaftlicher Macht und kultureller Identität. Dass bei einem traditionell so gespannten Verhältnis kleine Zwistigkeiten zu einem großen Konflikt eskalieren können, erscheint nahe liegend.

 

l Der Koran bezeugt, dass Glaubensunterschiede zwischen Muslime, Juden und Christen kein Grund für feindliche Auseinandersetzungen sein dürften. Im Gegenteil: Der Koran lobt die Frommen unter ihnen allen als Träger einer wahren Beziehung zu Gott; getadelt werden nur diejenigen, die – ihrem eigenen Glauben zuwiderlaufend – Zwistigkeiten hervorrufen:

 

            Und wenn sie die Thora und das Evangelium, und was von ihrem Herrn zu ihnen herabgesandt worden ist, halten würden, würden sie von oben und unter ihren Füßen zu essen bekommen, was sie nur wollten.

                Unter ihnen gibt es eine Gemeinde mit maßvollem Wandel. Aber schlimm ist, was viele (andere) von ihnen tun. (Sure 5,66)

 

Deutliches Lob spricht folgender Vers aus:

 

Sie sind nicht (alle) gleich. Unter den Leuten der Schrift gibt es speziell unter den frommen Juden eine Gemeinschaft, die (andächtig im Gebet) steht, (Leute) die zu (gewissen) Zeiten der Nacht die Verse Gottes verlesen und sich dabei niederwerfen. Sie glauben an Gott und den Jüngsten Tag, gebieten, was recht ist, verbieten, was verwerflich ist und wetteifern (im Streben) nach den guten Dingen. Diese gehören zu den Rechtschaffenen. Für das, was sie an Gutem tun, werden sie (einst) nicht Undank ernten. Und Gott weiß Bescheid über die, die (ihn) fürchten. (Sure 3,113 - 115)

 

 

 

Unsachgemäß ist:

 

 

l Muhammads Verhältnis zu Juden und Christen als eine Taktik zu interpretieren: Anfangs habe er damit gerechnet, durch Anbiederung beider Gruppen für sich zu gewinnen, indem er sich als Verkünder der gleichen Lehre ausgab. Als dieser Versuch gescheitert war, habe er versucht, seine Botschaft als die wahre im Gegensatz zur jüdischen und christlichen hinzustellen. Tatsache ist: Muhammads Bezugnahme auf Abraham und Moses gehört mit zu den frühen Phasen der mekkanischen Verkündigung.

 

l Muhammad antijüdische Ressentiments zu unterstellen.

 

l Muhammad zu unterstellen, er sei in der Erwartung, von den Juden Medinas als Prophet anerkannt zu werden, ausgewandert und habe später aus Verärgerung über ihr Verhalten die Gebetsrichtung für die Muslime von Jerusalem nach Mekka geändert. In Wirklichkeit ist die Änderung der Gebetsrichtung Ausdruck der Rückbesinnung auf die seiner Überzeugung nach in Vergessenheit geratene abrahamitische Tradition. Dies hatte allerdings zur Folge, dass die Medinenser die Befreiung ihres Heiligtums (Kaaba) von den Göttern der Götzenanbeter zu ihrem Hauptziel machten. Wenn die Änderung der Gebetsrichtung aus Verärgerung über die Juden geschehen wäre, hätten Muhammad und die Muslime konsequenterweise auch die Heiligkeit Jerusalems ablehnen müssen – was gegen eindeutige Koranaussagen verstoßen würde.

 

l aus Darstellungen der angeblich gewaltsamen Ausbreitung des Islam in Arabien und aus einem vermuteten Machtstreben von Muhammad eine „Bedrohung der abendländischen Christenheit durch den Islam“ zu folgern. Dadurch wird das Zusammenleben von Christen und Muslimen in Europa heutzutage nicht unerheblich erschwert.

 

 

 

5.6 Muhammads Lebensführung

 

 

Sachgemäß ist es zu sagen:

 

 

Zu seiner persönlichen Lebensführung, insbesondere zu Mehrehe, ist folgendes zu sagen:

 

l Oft wird kritisiert, dass Muhammad neun (nach anderen Quellen 13) Frauen geheiratet hat, während der Koran den übrigen Muslimen nur erlaubt, unter bestimmten, stark einschränkenden Bedingungen mit vier Frauen gleichzeitig verheiratet zu sein. Die muslimische Erklärung dafür orientiert sich an folgenden Fakten:

 

Als 25jähriger heiratete Muhammad die (vermutlich) 15 Jahre ältere Chadidscha (595 n. Chr.). Bis zu ihrem Tode 619 n. Chr. lebte er 25 Jahre lang glücklich mit ihr in einer zur damaligen Zeit in der arabischen Gesellschaft für einen Mann seines Ranges ungewöhnlichen Einehe. Chadidscha hat er von allen seinen Frauen bis zum Schluss am meisten geschätzt und geehrt, und auch die Muslime insgesamt verdanken ihr viel.

 

Nach dem Tode Cahdidschas, die fünf Kinder zurückließ, heiratete Muhammad 620 n. Chr. die Witwe eines quraischitischen Muslims, der bei der Auswanderung nach Äthiopien gestorben war. 623, also nach der Hidschra, heiratete er die junge Tochter des späteren 1. Kalifen Abu Bakr, Aischa – die einzige seiner Frauen, die nicht Witwe war. Die weiteren Ehen (nicht alle gleichzeitig) wurden in einem Zeitraum von fünf Jahren (625 – 629) geschlossen: in den Krisenjahren der Umma – Krisen wegen der Intrigen der munāfiqūn (Heuchler) von innen und der Bedrohung durch die Mekkaner von außen. Sie erklären sich aus historischer Sicht als notwendige Schritte zur Erhaltung der Umma (entsprechend tribalischer Normen der Sippenbindungen) und des Zusammenhalts der beteiligten und noch zu werbenden Stämme und Clans.

 

l Muhammad fühlte sich verpflichtet, strikt nach koranischen Normen und Vorschriften zu leben. Er sollte nach dem Koran für alle Muslime ein mustergültiges Beispiel für Gottausgerichtetheit und demgemäße Lebensführung geben: Schutz des Lebens, der Ehre und des Besitzes der Mitmenschen, unabhängig von ihrem Glauben.

 

 

Unsachgemäß ist:

 

l Muhammad als einen von Sinnlichkeit überwältigten Frauenhelden zu betrachten;

 

l ihm Raubüberfälle oder sonstige Verstöße gegen die von ihm verkündeten Gebote zu unterstellen. Dabei hätte er – auf gesellschaftlicher Ebene – jede Glaubwürdigkeit eigebüßt.

 

l Muhammad als „sündhaften“ Menschen zu bezeichnen (im Sinne persönlicher Schuldhaftigkeit durch bewussten Verstoß gegen die göttlichen Gebote). Der Begriff ḏanb/Schuld in Sure 47,19 und 48,2 weist vielmehr auf den Erziehungsprozess durch die göttliche Offenbarung  hin und meint die allgemeingültige menschliche Unzulänglichkeit, der unendlichen Güte Gottes gerecht zu werden.

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