Wessen Gebete erhört Gott
Wessen Gebete erhört Gott?
Nach dem 11. September baten Amerikaner Gott im Gebet um Beistand im
Kampf gegen den Terrorismus und um Trost für die Hinterbliebenen der Opfer.
Gleichzeitig dankten radikale Muslime Allah für seinen Beistand für die
gelungenen Anschläge jenes verhängnisvollen Tages. Wessen Gebete hat Gott
erhört?
Von Roger Foster und Paul Kieffer
Amerikas Weckruf – diese symbolische Bezeichnung haben Kommentatoren
und hohe Amtsträger der amerikanischen Regierung den Ereignissen des
11. September 2001 verliehen. Nur kurze Zeit nach den Anschlägen rief Präsident
Bush einen nationalen Tag des Gedenkens und Betens für den 14. September aus.
Mit vereinter Stimme appellierten Vertreter der zum Teil sehr unterschiedlichen
Glaubensgemeinschaften an das amerikanische Volk, gemeinsam für die Opfer und
für die Nation zu beten.
Beispielhaft für die innere Haltung der meisten Amerikaner in den Tagen
unmittelbar nach den Anschlägen waren die Worte, mit denen der amerikanische
Präsident seine Ansprache in der nationalen Kathedrale in Washington, D.C. und
wenige Tage später auch seine Rede vor beiden Häusern des US-Kongresses
beendete: „Gott segne Amerika!“ Mit großer Anteilnahme folgten viele Amerikaner
dem Aufruf ihres Präsidenten und ließen sich von der Ankündigung der
entschlossenen Verfolgung der Täter und ihrer Hintermänner trösten. „Unsere
Sache ist gerecht“, versicherte der Präsident seinen Landsleuten.
Ausgerechnet die terroristischen Gegner Amerikas berufen sich ebenfalls auf
Gott. Nach den Bombenanschlägen auf amerikanische Botschaften in Nigeria und
Tansania meinte beispielsweise Osama Bin Laden: „Feindschaft gegen Amerika ist
eine religiöse Pflicht. Dafür hoffen wir auf die Belohnung Gottes ... Gott sei
gelobt, der uns dazu leitet, Dschihad in seiner Sache zu führen.“
Am 27. Dezember 2001 strahlte der arabische Nachrichtensender Al-Jazeera
eine Videobotschaft Bin Ladens aus, in der der al-Qaida-Führer seinen gegen
Amerika gerichteten Terrorismus als „gesegneten Terrorismus“ bezeichnete, der
„den Ungerechten daran hindern soll, Ungerechtigkeit zu verüben“. Darüber hinaus
kommentierte Bin Laden den Einsatz der 19 Flugzeugentführer vom 11. September
folgendermaßen: „Sie benutzten des Feindes Flugzeuge und studierten an des
Feindes Schulen und hatten kein Trainingslager nötig. Aber Gott half ihnen und
brachte diesem arroganten Volk diese grausame Lektion bei, das die Freiheit als
nur für das weiße Volk geltend sieht und andere Völker demütigt und
unterdrückt.“ Nach Bin Laden haben die Entführer „Gottes Religion“ gefördert.
So berufen sich George W. Bush und Osama Bin Laden beide auf Gott. Beide
haben keinen Zweifel daran, daß ihre Sache gerecht ist. Terroristen und
Amerikaner sind überzeugt, daß Gott ihnen helfen wird. Wessen Gebete aber wird
Gott in dieser Situation erhören? Der Zwiespalt, der durch die gestellte Frage
offenbar wird, beschränkt sich jedoch nicht allein auf die USA und gewaltbereite
islamische Fundamentalisten. Er durchzieht alle Konflikte, bei denen die
Religion eine Rolle spielt.
Falsche Prämisse erschwert das Verständnis
Implizit in der Frage bei dem geschilderten Fall, wessen Gebete Gott erhört,
liegt die Prämisse, daß der Gott, den Christen anbeten, und der Gott, den
Muslime anbeten, in Wirklichkeit derselbe Gott ist. Es gibt sogar die
Vorstellung, die man in angeblich aufgeklärten Kreisen antrifft, daß es für alle
Religionen auf der Welt im Grunde genommen nur einen einzigen Gott gibt, der
sich seinen Anhängern auf unterschiedliche Weise offenbart.
Logisch gesehen könnte man dann erwarten, daß diese Religionen in einer
Sache, in der sie eine gemeinsame Zielsetzung haben, auch Einigkeit hinsichtlich
der Vorgehensweise erzielen können. Schließlich wäre es derselbe Gott, der sie
alle zu der gemeinsamen Überzeugung bewegt.
In diesem Zusammenhang war der „Welttag gegen Terrorismus und Gewalt“
interessant, der unter der Schirmherrschaft des Papstes am 24. Januar in Assisi
stattfand. Die Ereignisse des 11. September 2001 veranlaßten Papst Johannes
Paul II. zu seiner Einladung an die Vertreter aller großen Weltreligionen. Am
Nachmittag des Treffens legten die Teilnehmer ein gemeinsames Bekenntnis zum
Frieden ab.
Der Wunsch nach Frieden ist sicher lobenswert, denn ohne diese Zielsetzung
wird es wohl nie Frieden geben. Man braucht jedoch kein Vertreter einer
Weltreligion zu sein, um Frieden statt Krieg und Gewalt zu wollen. Da sind sich
wohl alle Menschen – ob religiös oder nichtreligiös – einig. Es geht also nicht
um den Wunsch selbst, sondern um den Weg dahin!
Wenn die Prämisse stimmt, daß ein einziger Gott hinter allen Religionen
„steht“, müßte man logischerweise in einer so wichtigen Sache wie der
Friedenssuche die Inspiration dieses Gottes erwarten, damit man einen
gemeinsamen Weg findet. Das Treffen von Assisi – so lobenswert die Zielsetzung
auch war – hat jedoch nicht den Weg gezeigt. „Christen und Juden, Muslime,
Hindus und Buddhisten, die Anhänger von Naturreligionen – um nur die größten
Gemeinschaften zu nennen –, sie alle waren sich zunächst mal darin einig,
nicht mit einer Stimme im Chor glühende Gebete zu ihrem oder zu dem einen
Gott emporzuschicken. Vielmehr wollte jeder mit seiner eigenen Stimme beten und
offenbar seinen Gott den anderen gefällig machen“ (Frankfurter Allgemeine
Zeitung, 25. Januar 2002;).
Als besonderes Entgegenkommen gegenüber den nichtchristlichen Teilnehmern
wurde es gewertet, daß die Franziskaner von Assisi alle am Tagungsort
befindlichen Kreuze und christlichen Bilder abgehängt hatten. Anscheinend hätten
sonst einige Vertreter anderer Religionen nicht an dem Treffen teilnehmen
können. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Würdenträger der diversen
Weltreligionen über einen längeren Zeitraum hinweg – oder gar für immer – bereit
sind, alle Aspekte ihres Glaubens abzulegen, die anderen Anstoß geben, um so
eine Zusammenarbeit zu ermöglichen. Stünde derselbe Gott hinter all diesen
Religionen, könnte man dies erwarten, nicht wahr?
Monotheismus und Jesus Christus
Wir ziehen als erstes eine Trennungslinie unter den Religionen zwischen
denen, die monotheistisch sind, und denen, die es nicht sind. Die großen
monotheistischen Weltreligionen Christentum, Islam und Judentum glauben an einen
Gott. Die Heiligen Schriften dieser Religionen – Bibel, Koran und Altes
Testament – verurteilen den Polytheismus in jeglicher Form und sagen klar aus,
daß es nur den einen wahren Gott gibt. Die Bibel beschreibt Gott als konsequent
und beständig: Er ändert sich nicht.
Logisch gesehen kann ein Gott, der sich als einzig wahrer Gott offenbart,
unmöglich auch der Gott sein, der hinter polytheistischen Religionen wie denen
des Orient steht. Daher schränken wir die Frage, wessen Gebete Gott hört, bewußt
auf die drei genannten großen monotheistischen Religionen ein. Auch unter ihnen
gibt es Gegensätze.
Christen wie Juden akzeptieren das Alte Testament als inspirierte Offenbarung
Gottes, aber Christen glauben ebenfalls an die Inspiration des Neuen
Testamentes. Die im Koran enthaltene Definition von Gut und Böse ist nicht
identisch der biblischen. Wenn derselbe Gott beide Schriften inspiriert hat und
sich in der Bibel als unveränderlich bezeichnet, wie kann es solche Unterschiede
bei einer so grundlegenden Frage geben?
Darüber hinaus akzeptieren Juden und Muslime Jesus Christus nicht als ihren
Erlöser. Die Juden warten noch auf das Erscheinen ihres Messias, und für Muslime
war Jesus zwar ein großer Prophet, aber keineswegs der Sohn Gottes. Das Neue
Testament macht für Christen jedoch unmißverständlich klar, daß der Mensch die
Bestimmung seines Lebens nur durch Jesus Christus erfüllen kann
(Apostelgeschichte 4,10-12). Der Apostel Paulus schrieb, daß seine Landsleute –
die Juden – und alle anderen Menschen Jesus noch als den verheißenen Retter
kennenlernen werden. Nach der Bibel – Altes und Neues Testament – werden
die Menschen eines Tages zum christlichen Glauben übertreten. Die Prophezeiungen
der Bibel sagen für die Zukunft voraus, daß nur der Gott der Bibel angebetet
werden wird, und zwar auf die Weise, wie er es vorschreibt.
Das Entgegenkommen der Franziskaner beim Treffen in Assisi mag notwendig
gewesen sein, um ein Treffen der Weltreligionen überhaupt möglich zu machen.
Andererseits ist es für überzeugte Christen unvorstellbar, permanent auf das zu
verzichten, was einige in dem Symbol des Kreuzes sehen: den Tod des Erlösers
Jesus Christus.
Wem schenkt Gott unter den monotheistischen Religionen Christentum, Islam und
Judentum Gehör? Steht derselbe Gott hinter allen drei Religionen? Die Frage
dürfte berechtigt sein, denn schließlich definieren alle drei seine Wesensart
unterschiedlich, und alle drei definieren den Heilsweg anders. Am wichtigsten
jedoch scheint die Feststellung zu sein, daß jede dieser drei Religionen
aufgrund ihrer Aussagen die beiden anderen auf eine Art „ausschließt“. Alle drei
zusammen können daher, eine jede nach eigener Definition, sozusagen nicht
die „richtige“ Religion sein.
Werden die Gebete aller Christen erhört?
Schränken wir unsere Untersuchung dieser Frage noch einmal ein, und zwar auf
Christen allgemein. Sicher erhört der Gott der Christen ihre Gebete, oder?
Das Christentum von heute setzt sich aus Hunderten verschiedener Konfessionen
und Glaubensgemeinschaften zusammen, die zum Teil sehr unterschiedliche Lehren
haben. Trotz dieser Unterschiede hört man gelegentlich die gleiche Meinung
bezüglich Christen, die einige gegenüber allen Religionen vertreten: Hauptsache
ist, man glaubt. Bei Christen lautet die Behauptung, daß solange man an Jesus
glaube, alles andere unwichtig wäre.
In bestimmten Situationen stellt sich aber die Frage, wessen Gebete Gott
erhört. In den Nachbarländern Deutschland und Frankreich findet man
beispielsweise auf den Plätzen vieler Städte und Gemeinden – oft in der Nähe
eines Kirchengebäudes – Gedenktafeln für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges.
Zum Teil handelt es sich bei den ehemalig verfeindeten Gefallenen um Angehörige
derselben Konfession! Wessen Gebete erhörte Gott, als die Soldaten des
deutschen und französischen Heeres in den Schützengräben lagen und um Schutz und
den Sieg baten?
Wessen Gebete erhörte Gott, als das christliche Polen 1939 gemeinsam von
Deutschland und der Sowjetunion angegriffen wurde? Unter den Soldaten der
Wehrmacht, die damals an dem Polenfeldzug teilnahmen, waren nämlich auch
Angehörige derselben Konfession, die in Polen mit Abstand am stärksten vertreten
ist.
Die geschilderte Situation erscheint um so verworrener, wenn man die Haltung
der Großkirchen in Deutschland zu Beginn des Zweiten Weltkriegs bedenkt. „In
dieser entscheidenden Stunde“, schrieben die deutsch-österreichischen Bischöfe
zu Kriegsbeginn im September 1939, „ermutigen und ermahnen wir unsere
katholischen Soldaten, aus Gehorsam zum Führer ihre Pflicht zu tun und bereit zu
sein, ihre ganze Person zu opfern“ (Kirche und Faschismus,
Jugenddienst-Verlag, Wuppertal, 1968, Seite 58,).
Nach dem geglückten Überfall auf Polen dankten die deutschen evangelischen
Kirchenführer Gott und Hitler in ihrer Kanzelankündigung zum Erntedankfest 1939:
„Und mit dem Dank gegen Gott verbinden wir den Dank an alle, die in wenigen
Wochen eine solche gewaltige Wende heraufgeführt haben: an den Führer und seine
Generäle ... Wir loben Dich droben, Du Lenker der Schlachten, und flehen, mögst
stehen uns fernerhin bei“ (ebenda, Seite 63 und 64).
Angesichts dieser Stellungnahmen müßte man davon ausgehen, daß Gott die
Gebete der Christen in Deutschland erhörte und die Gebete gläubiger Polen für
eine erfolgreiche Abwehr des Angriffs nicht beachtete.
Der Wortlaut des sechsten Gebots lautet hingegen: „Du sollst nicht töten“
(2. Mose 20,13). Dieses Gebot ist sehr klar und eindeutig, doch die Mehrheit des
traditionellen Christentums deutet dieses Gebot trotzdem so, daß Christen unter
gewissen Umständen „gerechte Kriege“ führen dürfen. Der britische Historiker
Paul Johnson beschreibt, wie diese Idee in die römisch-katholische Kirche und
später in die protestantischen Kirchen Einzug hielt. Johnson ist nach eigenen
Angaben ein praktizierender Katholik und einer, der die Unzulänglichkeiten des
Christentums in der Vergangenheit erkennt.
Johnson führt die Lehre von gerechten Kriegen und gerechtfertigter Gewalt von
Christen auf Augustinus zurück, den Bischof und Theologen des vierten
Jahrhunderts: „Natürlich waren die Zeiten entsetzlich. Das damalige [Römische]
Reich war ein totalitärer Staat. Staatliche Folter wurde angewandt, wann immer
der Staat es wollte ... Wenn der Staat solche Methoden für seine eigenen
miserablen Ziele nutzte, konnte die Kirche dann nicht dasselbe und noch mehr für
ihre viel ‚höheren‘ Ziele tun? [Augustinus] akzeptierte nicht nur Verfolgung,
sondern wurde der Theoretiker der Verfolgung. Auf seinen Theorien ruhten später
alle Rechtfertigungen für die Inquisition. Zum ersten Mal benutzte er auch die
Übereinstimmung mit dem Staat für kirchliche Zwecke, berief sich sogar auf die
Rechtmäßigkeit des Staates als notwendige und andauernde Allianz mit der Kirche
bei der Ausrottung der Dissidenten ... Hier appelliert die Kirche, die andere
verfolgte, zum ersten Mal an alle autoritären Elemente der Gesellschaft bzw. an
die menschliche Natur ... Diese Betonung der Gewalt war besonders im Westen
ausgeprägt. Die Christen des Ostens folgten eher den Lehren des St. Basil, der
Krieg als schändlich betrachtete“ (Paul Johnson, A History of Christianity,
Penguin Books, 1976, Seite 116-117).
Zum sechsten Gebot erklärte Jesus Christus ganz deutlich in Matthäus 5, Verse
43-44: „Ihr habt gehört, daß gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und
deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde [nicht, tötet sie,
auch nicht zur Selbstverteidigung] und bittet für die, die euch verfolgen ...“
Über die Jahrhunderte hinweg blieben mutige Christen diesem Gebot Christi
treu, trotz Verfolgung und der Todesgefahr. Im Zweiten Weltkrieg gehörten mutige
Geistliche und Kirchenmitglieder dazu – Katholiken wie Lutheraner –, die als
einzelne dem Naziregime Widerstand leisteten. Sie bezahlten einen hohen Preis,
indem sie für ihren Widerstand Gefängnisstrafen und die Hinrichtung erlitten.
Millionen wurden indessen wie Schachfiguren in die von verfeindeten Seiten
als gerecht bezeichneten oder „göttlich“ verordneten Kriege gehetzt. Im 20.
Jahrhundert wurde die Welt wieder Zeuge dieses tragischen Schauspiels, als zwei
Weltkriege, die Millionen von Menschen das Leben kosteten, hauptsächlich unter
den Nationen ausgefochten wurden, die sich christlich nennen.
Die große Ironie der Doktrin vom gerechten Krieg wird sich wieder offenbaren,
wenn, wie die Prophezeiung in Offenbarung 17 zeigt, die Nationen der Erde so
verführt sein werden, daß sie große Armeen zu einem letzten großen Weltkrieg
aussenden werden. Diesen Krieg werden sie wieder einmal gerecht und von Gott
gewollt nennen. Doch gegen wen werden sie kämpfen? Vers 14 sagt, daß sie gegen
den zurückkehrenden Christus kämpfen werden!
Wessen Gebete erhört Gott also? Darauf antwortet die Bibel selbst wie folgt:
„Ich, der HERR, habe mit eigener Hand Himmel und Erde geschaffen, durch mich ist
alles entstanden, was es gibt. Aber ich blicke freundlich auf die Verzagten, die
sich vor mir beugen, auf alle, die mit Furcht und Zittern auf mein Wort
achten“ (Jesaja 66,2; Gute Nachricht Bibel; Hervorhebung durch uns). Nach
der Bibel sollen wir Gott in Wahrheit anbeten und nicht nach menschlicher
Tradition.
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