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4. Koran
Sachgemäß ist zu sagen:
l Der Koran
(arab.: al-qur´ãn = Lesung, Vortrag, das Vorgetragene) ist heilige
Schrift des Islams.
l Er gilt als
das authentische Wort Gottes, das dem Propheten Muhammad Wort für Wort in
arabischer Sprache geoffenbart wurde (Verbalinspiration).
l Über seine
Verbindung mit einer postulierten himmlischen Urschrift („Mutter des Buches“)
heißt es in Sure 85,22:
Ja, es ist ein
ruhmvoller Qur´ān auf einer wohlverwahrten Tafel.
Und in Sure 43,3-4:
Wahrlich haben
wir ihn zu einem Qur´ān in arabischer Sprache gemacht, auf dass ihr (es)
verstehen
möget. Und
wahrlich, er ist bei uns in der Mutterschrift, erhaben und weise.
l Nach
muslimischer Überzeugung ist der Koran ein sprachlich und inhaltlich von Gottes
Geschöpfen, selbst den Dschinnen, unerreichbares Wunder:
Wenn sich auch
die Menschen und die Ğinn (Dschinne) vereinigten, um ein diesem Qur´ān Gleiches
hervorzubringen, brächten sie doch nichts Gleiches hervor, selbst wenn sie
einander beistünden. (Sure 17,88; vgl. Sure 2,23 und 10,37-38)
Das koranische Selbstverständnis wird in Sure 3,7 deutlich:
Er (Gott) ist es, der dir das Buch herabgesandt hat. Darin sind eindeutige,
klare Verse – sie sind die Grundlage des Buches (umm al-kitāb) – und
andere, die unterschiedlich zu deuten sind…
Diese „unterschiedlich zu deutenden“ Verse bieten nach
Auffassung der islamischen Gelehrten die Grundlage für die Weiterentwicklung des
Islam in der Geschichte durch differenzierte Interpretationd´smöglichkeiten.
l Der Koran ist
nicht auf einmal, sondern, beginnend 610 n. Chr., innerhalb von 23 Jahren (bis
632 n. Chr.) zunächst in Mekka (ca. 12 ½ Jahre), dann in Medina (ca. 10 ½ Jahre)
geoffenbart worden, und zwar stets situationsadäquat, d.h. entsprechend den
jeweiligen Notwendigkeiten und Offenbarungsanlässen (arab.: asbāb
an-nuzūl).
l Der Koran
setzt sich aus 114 Kapiteln zusammen. Diese werden Suren (arab.: Sg.
sūra, Pl. suwar = „Abschnitt“) genannt. Die einzelnen Suren bestehen
aus Versen (arab.: Sg. āya; Pl. āyāt = „Zeichen“). Die
Länge der Suren ist sehr unterschiedlich. Die längste ist die Sure 2 mit 286
Versen, die kürzeste Sure 108 mit drei Versen. Die kürzeren Suren stammen
überwiegend aus der Offenbarungszeit in Mekka, die längeren aus Medina. Nach der
meistverbreiteten Zählung besteht der Koran aus insgesamt 6.236 āyāt
(4.613 mekkanischen und 1.623 medinischen Versen). Die Suren sind in der heute
verbindlichen Endfassung nicht chronologisch, sondern weitgehend nach der Regel
der fallenden Länge angeordnet. Es gibt allerdings viele Ausnahmen: am
bekanntesten Sure 1 mit nur sieben Versen. Der Koran ist ca. ein Drittel
umfangreicher als das Neue Testament.
l Die
verkündeten Verse wurden auf Veranlassung und nach Diktat Muhammads von
verschiedenen Schreiben und unterschiedlichste Materialen niedergeschrieben
(Pergament, Baumrinde u. a.). Noch zu Lebzeiten Muhammads sind vollständige
Gesamtschriften entstanden. Nach der islamischen Tradition soll das Exemplar von
Zaid ibn Ṯābit das zuverlässigste sein. Die heute verbindliche Koranausgabe geht
auf den 3. Kalifen Uthman (644-656 n. Chr.) zurück. Er besorgte die endgültige
Redaktion und stützte sich dabei auf die Zustimmung der übrigen Muslime, von
denen ein großer Teil den Koran auswendig kannte, als Garant für die
Authentizität des Werkes. Er fertigte selbst sehr schöne Koranabschriften an.
l Die Existenz
von mehreren schriftlichen Überlieferungen des Koran, die bereits zu Lebzeiten
Muhammads und auf seine ausdrückliche Anweisung hin entstanden sind, das
Auswendiglernen des Textes durch Muhammads Gefährten, um so eine wortgenaue
mündliche Überlieferung abzusichern, sowie die deutliche Trennung zwischen dem
Testen der Offenbarung und anderen Äußerungen Muhammads haben textkritische
Probleme, wie man sie u. a. bei der Exegese des Alten und Neuen Testaments
kennt, nicht aufkommen lassen. Auch die z. T. leicht variierende Zahl der Verse
beruht nicht auf verschiedenen Textvarianten, sondern nur auf der
unterschiedlichen Zählweise von Abschnitten. „Wir haben keinen Grund anzunehmen,
dass auch nur ein einziger Vers im ganzen Koran nicht von Mohammed selber
stammen würde“, stellt der bedeutende Islamwissenschaftler Rudi Paret fest, der
eine anerkannte Koranübersetzung geschaffen hat.
l Das
inhaltliche Hauptgewicht des Korantextes (über 90 Prozent der Verse)
liegt auf: Aufbau und Regeln der Gemeinschaft (ethische Werte). Gott und seinen
Eigenschaften, Propheten und historischen Gestalten (aus der semitischen
Tradition), früheren heiligen Schriften und Offenbarungen, sowie der gesamten
Schöpfung: Welt, Himmel, Erde, Mitgeschöpfe, Naturerscheinungen, metaphysischen
Wesenheiten wie Engel. Dschinnen u. a., vergangenen Völkern und ihrer
Geschichte. Nur in weit geringerem Maße (ca. sechs Prozent) enthält der
Koran Lebensvorschriften.
l Das
Verhältnis verschiedener vorangegangener heiliger Schriften (vor allem Thora,
Evangelium) untereinander und seine eigene Zuordnung zu ihnen schildert der
Koran folgendermaßen:
Wir ließen ihnen Jesus, den Sohn der Maria, folgen; zu Bestätigung dessen, was
vor ihm in der Thora war; und Wir gaben ihnen das Evangelium, worin Rechtleitung
und Licht war, zur Bestätigung dessen, was vor ihm in der Thora war, und als
Rechtleitung und Ermahnung für die Gottesfürchtigen. Und die Leute des
Evangeliums sollen sich nach dem richten, was Gott darin offenbart hat; und die
sich nicht nach dem richten, was Gott herabgesandt hat – das sind die (wahren
Frevler). Und wir haben das Buch mit der Wahrheit zu dir herabgesandt, das
bestätigt, was von der Schrift vor ihm war und darüber Gewissheit gibt; richte
also zwischen ihnen nach dem, was Gott herabgesandt hat, und folgte nicht ihren
Neigungen, von der Wahrheit abzuweichen, die zu dir gekommen ist… (Sure 5,46-48)
l Seine
historische Verbindung zur Bibel sieht der Koran in der Tradition der
Offenbarungen aus einer einzigen göttlichen Offenbarungsquelle.
l Als
Heilige Schrift und authentisches Wort Gottes wird der Koran auch im Alltag
der Muslime in Ehre gehalten. Jeder Muslim ist angehalten, möglichst viel von
ihm auswendig zu lernen. Der den Koran verinnerlichende, ihn in sein Herz, sein
Gemüt und seinen Verstand aufnehmende hâfiż (arab.: einer, der den Koran
auswendig kennt), im Grunde jeder Muslim, kommt Gott durch Auswendigkernen
(engl.: to learn by heart) und Rezitation sehr nahe.
l Die
herausragende Bedeutung des Korans wird in der Kalligraphie, der vom
Islam so sehr gepflegten Schönschreibkunst, sichtbar. Kalligraphie ist eine
religiöse Kunstform, die auf Muslime eine numinose Faszination ausübt. „Die
Schrift besitzt eine ̧ heilige̛ Umgebung, die den Beter einhüllt, wenn er sie
liest.“ (L. Librande)
Unsachgemäß ist:
l aus der
koranischen Aussage, dass die Offenbarung durch den Erzengel Gabriel vermittelt
wurde, abzuleiten, dass Muhammad alles nur phantasiert bzw. geträumt habe und
damit dem vom Islam geglaubten Offenbarungscharakter als bloßen Irrtum oder
Bedeutung abzuweisen;
l den Koran als
eine „Schrift Muhammads“, als Sammlung von Aussprüchen oder sogar als bewussten
Täuschungsversuch zur Gewinnung von Macht darzustellen bzw.
l als
„Biographie“ Muhammads, welche die Persönlichkeit und das Wirken des Propheten –
analog zu den Evangelien – beschreibt, zu verstehen;
l die geglaubte
Offenbarung des göttlichen Willens im Koran als Ausdruck göttlicher
Gewaltherrschaft über den willenlosen Menschen zu interpretieren.
l den Koran als
Gesetzbuch der Muslime zu interpretieren, das „mittelalterliche“ Strafen
sanktioniert;
l zu
unterstellen, Kalif Uthman habe nach eigenem Gutdünken Koranteile zusammengefügt
und dabei manche ursprünglichen Koranabschnitte weggelassen bzw. einige
Textteile nachträglich selbst zugefügt;
l aus den
unbestreitbar vorhandenen Übereinstimmungen zwischen koranischen und biblischen
Texten eine totale historische Abhängigkeit und Nachahmung abzuleiten und diese
Nachahmung als Ergebnis der Begegnung Muhammads mit Juden und Christen auf seine
Reisen bzw. in Mekka oder Medina zu erklären. Der Koran bestätigt zwar die
Übereinstimmung mit den Lehren der biblischen Gesandten; dies resultiert nach
eigenem Selbstverständnis aus der gemeinsamen Offenbarungsquelle. Prinzipielle
Abweichungen und sogar Gegensätze zu biblischen Texten lassen kompliziertere
Rezeptionsvorgänge vermuten;
l den Koran als
Programm- und Kampfschrift des Taktikers Muhammad gegenüber Juden, Christen und
Arabern darzustellen bzw. als fanatisierendes, bedrohliches Buch zu betrachten,
das zum Krieg gegen die „Ungläubigen“ aufruft.
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