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letzte Änderung 03.03.2009
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4. Koran

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4. Koran

 

Sachgemäß ist zu sagen:

 

l Der Koran (arab.: al-qur´ãn = Lesung, Vortrag, das Vorgetragene) ist heilige Schrift des Islams.

 

l Er gilt als das authentische Wort Gottes, das dem Propheten Muhammad Wort für Wort in arabischer Sprache geoffenbart wurde (Verbalinspiration).

 

l Über seine Verbindung mit einer postulierten himmlischen Urschrift („Mutter des Buches“) heißt es in Sure 85,22:

 

            Ja, es ist ein ruhmvoller Qur´ān auf einer wohlverwahrten Tafel.

 

Und in Sure 43,3-4:

 

            Wahrlich haben wir ihn zu einem Qur´ān in arabischer Sprache gemacht, auf dass ihr (es) verstehen

                möget. Und wahrlich, er ist bei uns in der Mutterschrift, erhaben und weise.

 

l Nach muslimischer Überzeugung ist der Koran ein sprachlich und inhaltlich von Gottes Geschöpfen, selbst den Dschinnen, unerreichbares Wunder:

 

            Wenn sich auch die Menschen und die Ğinn (Dschinne) vereinigten, um ein diesem Qur´ān Gleiches

hervorzubringen, brächten sie doch nichts Gleiches hervor, selbst wenn sie einander beistünden. (Sure 17,88; vgl. Sure 2,23 und 10,37-38)

 

Das koranische Selbstverständnis wird in Sure 3,7 deutlich:

 

Er (Gott) ist es, der dir das Buch herabgesandt hat. Darin sind eindeutige, klare Verse – sie sind die Grundlage des Buches (umm al-kitāb) – und andere, die unterschiedlich zu deuten sind…

 

Diese „unterschiedlich zu deutenden“ Verse bieten nach Auffassung der islamischen Gelehrten die Grundlage für die Weiterentwicklung des Islam in der Geschichte durch differenzierte Interpretationd´smöglichkeiten.

 

l Der Koran ist nicht auf einmal, sondern, beginnend 610 n. Chr., innerhalb von 23 Jahren (bis 632 n. Chr.) zunächst in Mekka (ca. 12 ½ Jahre), dann in Medina (ca. 10 ½ Jahre) geoffenbart worden, und zwar stets situationsadäquat, d.h. entsprechend den jeweiligen Notwendigkeiten und Offenbarungsanlässen (arab.: asbāb an-nuzūl).

 

l Der Koran setzt sich aus 114 Kapiteln zusammen. Diese werden Suren (arab.: Sg. sūra, Pl. suwar = „Abschnitt“) genannt. Die einzelnen Suren bestehen aus Versen (arab.: Sg. āya; Pl. āyāt = „Zeichen“). Die Länge der Suren ist sehr unterschiedlich. Die längste ist die Sure 2 mit 286 Versen, die kürzeste Sure 108 mit drei Versen. Die kürzeren Suren stammen überwiegend aus der Offenbarungszeit in Mekka, die längeren aus Medina. Nach der meistverbreiteten Zählung besteht der Koran aus insgesamt 6.236 āyāt (4.613 mekkanischen und 1.623 medinischen Versen). Die Suren sind in der heute verbindlichen Endfassung nicht chronologisch, sondern weitgehend nach der Regel der fallenden Länge angeordnet. Es gibt allerdings viele Ausnahmen: am bekanntesten Sure 1 mit nur sieben Versen. Der Koran ist ca. ein Drittel umfangreicher als das Neue Testament.

 

l Die verkündeten Verse wurden auf Veranlassung und nach Diktat Muhammads von verschiedenen Schreiben und unterschiedlichste Materialen niedergeschrieben (Pergament, Baumrinde u. a.). Noch zu Lebzeiten Muhammads sind vollständige Gesamtschriften entstanden. Nach der islamischen Tradition soll das Exemplar von Zaid ibn Ṯābit das zuverlässigste sein. Die heute verbindliche Koranausgabe geht auf den 3. Kalifen Uthman (644-656 n. Chr.) zurück. Er besorgte die endgültige Redaktion und stützte sich dabei auf die Zustimmung der übrigen Muslime, von denen ein großer Teil den Koran auswendig kannte, als Garant für die Authentizität des Werkes. Er fertigte selbst sehr schöne Koranabschriften an.

 

l Die Existenz von mehreren schriftlichen Überlieferungen des Koran, die bereits zu Lebzeiten Muhammads und auf seine ausdrückliche Anweisung hin entstanden sind, das Auswendiglernen des Textes durch Muhammads Gefährten, um so eine wortgenaue mündliche Überlieferung abzusichern, sowie die deutliche Trennung zwischen dem Testen der Offenbarung und anderen Äußerungen Muhammads haben textkritische Probleme, wie man sie u. a. bei der Exegese des Alten und Neuen Testaments kennt, nicht aufkommen lassen. Auch die z. T. leicht variierende Zahl der Verse beruht nicht auf verschiedenen Textvarianten, sondern nur auf der unterschiedlichen Zählweise von Abschnitten. „Wir haben keinen Grund anzunehmen, dass auch nur ein einziger Vers im ganzen Koran nicht von  Mohammed selber stammen würde“, stellt der bedeutende Islamwissenschaftler Rudi Paret fest, der eine anerkannte Koranübersetzung geschaffen hat.

 

l Das inhaltliche Hauptgewicht des Korantextes (über 90 Prozent der Verse) liegt auf: Aufbau und Regeln der Gemeinschaft (ethische Werte). Gott und seinen Eigenschaften, Propheten und historischen Gestalten (aus der semitischen Tradition), früheren heiligen Schriften und Offenbarungen, sowie der gesamten Schöpfung: Welt, Himmel, Erde, Mitgeschöpfe, Naturerscheinungen, metaphysischen Wesenheiten wie Engel. Dschinnen u. a., vergangenen Völkern und ihrer Geschichte. Nur in weit geringerem Maße (ca. sechs Prozent) enthält der Koran Lebensvorschriften.

 

l Das Verhältnis verschiedener vorangegangener heiliger Schriften (vor allem Thora, Evangelium) untereinander und seine eigene Zuordnung zu ihnen schildert der Koran folgendermaßen:

 

Wir ließen ihnen Jesus, den Sohn der Maria, folgen; zu Bestätigung dessen, was vor ihm in der Thora war; und Wir gaben ihnen das Evangelium, worin Rechtleitung und Licht war, zur Bestätigung dessen, was vor ihm in der Thora war, und als Rechtleitung und Ermahnung für die Gottesfürchtigen. Und die Leute des Evangeliums sollen sich nach dem richten, was Gott darin offenbart hat; und die sich nicht nach dem richten, was Gott herabgesandt hat – das sind die (wahren Frevler). Und wir haben das Buch mit der Wahrheit zu dir herabgesandt, das bestätigt, was von der Schrift vor ihm war und darüber Gewissheit gibt; richte also zwischen ihnen nach dem, was Gott herabgesandt hat, und folgte nicht ihren Neigungen, von der Wahrheit abzuweichen, die zu dir gekommen ist… (Sure 5,46-48)

 

l Seine historische Verbindung zur Bibel sieht der Koran in der Tradition der Offenbarungen aus einer einzigen göttlichen Offenbarungsquelle.

 

l Als Heilige Schrift und authentisches Wort Gottes wird der Koran auch im Alltag der Muslime in Ehre gehalten. Jeder Muslim ist angehalten, möglichst viel von ihm auswendig zu lernen. Der den Koran verinnerlichende, ihn in sein Herz, sein Gemüt und seinen Verstand aufnehmende hâfiż (arab.: einer, der  den Koran auswendig kennt), im Grunde jeder Muslim, kommt Gott durch Auswendigkernen (engl.: to learn by heart) und Rezitation sehr nahe.

 

l Die herausragende Bedeutung des Korans wird in der Kalligraphie, der vom Islam so sehr gepflegten Schönschreibkunst, sichtbar. Kalligraphie ist eine religiöse Kunstform, die auf Muslime eine numinose Faszination ausübt. „Die Schrift besitzt eine ̧ heilige̛ Umgebung, die den Beter einhüllt, wenn er sie liest.“ (L. Librande)

 

 

Unsachgemäß ist:

 

l aus der koranischen Aussage, dass die Offenbarung durch den Erzengel Gabriel vermittelt wurde, abzuleiten, dass Muhammad alles nur phantasiert bzw. geträumt habe und damit dem vom Islam geglaubten Offenbarungscharakter als bloßen Irrtum oder Bedeutung abzuweisen;

 

l den Koran als eine „Schrift Muhammads“, als Sammlung von Aussprüchen oder sogar als bewussten Täuschungsversuch zur Gewinnung von Macht darzustellen bzw.

 

l als „Biographie“ Muhammads, welche die Persönlichkeit und das Wirken des Propheten – analog zu den Evangelien – beschreibt, zu verstehen;

 

l die geglaubte Offenbarung des göttlichen Willens im Koran als Ausdruck göttlicher Gewaltherrschaft über den willenlosen Menschen zu interpretieren.

 

l den Koran als Gesetzbuch der Muslime  zu interpretieren, das  „mittelalterliche“ Strafen sanktioniert;

 

l zu unterstellen, Kalif Uthman habe nach eigenem Gutdünken Koranteile zusammengefügt und dabei manche ursprünglichen Koranabschnitte weggelassen bzw. einige Textteile nachträglich selbst zugefügt;

 

l aus den unbestreitbar vorhandenen Übereinstimmungen zwischen koranischen und biblischen Texten eine totale historische Abhängigkeit und Nachahmung abzuleiten und diese Nachahmung als Ergebnis der Begegnung Muhammads mit Juden und Christen auf seine Reisen bzw. in Mekka oder Medina zu erklären. Der Koran bestätigt zwar die Übereinstimmung mit den Lehren der biblischen Gesandten; dies resultiert nach eigenem Selbstverständnis aus der gemeinsamen Offenbarungsquelle. Prinzipielle Abweichungen und sogar Gegensätze zu biblischen Texten lassen kompliziertere Rezeptionsvorgänge vermuten;

 

l den Koran als Programm- und Kampfschrift des Taktikers Muhammad gegenüber Juden, Christen und Arabern darzustellen bzw. als fanatisierendes, bedrohliches Buch zu betrachten, das zum Krieg gegen die „Ungläubigen“ aufruft.   

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