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letzte Änderung 03.03.2009
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7. Islam und Minderheiten

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7. Islam und Minderheiten

 

 

Sachgemäß ist es zu sagen:

 

l In der ersten medinensischen Umma (Gemeindevertrag von Medina) wurden nicht-islamische Minderheiten – vor allem jüdische Stämme – als gleichberechtigte Umma-Mitglieder integriert. Es gehörte zu ihrem selbstverständlichen Recht, weiterhin ungestört ihre Religion auszuüben.

 

l Auch nach dem Bruch des Gemeindevertrages hatten die nicht-islamischen Minderheiten weiterhin das Recht auf Glaubensfreiheit; als Bewohner der Umma wurden die Nichtmuslime allerdings der Schutzverantwortung der islamischen Gemeindemitglieder unterstellt (die allein die Verantwortung für den Schutz der Umma hatten) und mussten dafür eine Schutzsteuer bezahlen.

 

l Bemerkenswert ist die Tatsache, dass im Koran (Sure 9,60) Angehörige christlicher Stämme in Nadschran als zakāt-Empfänger genannt werden, der Sonst nur Muslime zustand:

 

                Wahrlich, die wohltätige Abgaben sind nur für die Armen und Bedürftigen und für die mit Verwaltung

                (der wohltätige Abgabe) Beauftragten, und für die, deren Herzen gewonnen werden sollen (gemeint

hier christliche Stämme von Nadschrān), für die (Befreiung von) Sklaven und für die Schuldner, für die

Sache Allahs und die Reisenden;

 

l Ebenfalls bemerkenswert und für die Folgezeit maßgebend ist die Tatsache, dass der Koran den Muslimen – trotz aller Differenzen im Glauben – in der allerletzten Phase seiner Offenbarung die versöhnliche Koexistenz mit den Schriftbesitzern vorschreibt:

 

Heute sind euch die guten Dinge (zu essen) erlaubt. Und was desjenigen essen, die (vor euch)  die Schrift erhalten haben, ist für euch erlaubt, und (ebenso) war ihr esst, für sie. Und (zum Heiraten) sind euch erlaubt die ehrbaren gläubigen Frauen und die ehrbaren Frauen (aus der Gemeinschaft) derer, die vor euch die Schrift erhalten haben…

 

l Geprägt von diesem koranischen Geist ist der Vertrag, den der zweite Kalif Umar mit den Christen in Jerusalem abgeschlossen hat:

 

Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen! Dieser Vertrag gilt für alle christlichen Untertanen, Priester, Mönche und Nonnen. Er garantiert ihnen Schutz, wo immer sie sich befinden… Derselbe Schutz wird der christlichen Kirche, ihren Häuptern und Pilgerstätten zugesichert, ebenso denen, die diese Stätten aufsuchen… und allen jenen, die den Propheten Jesus anerkennen. Diese alle verdienen Rücksichtsnahme, da sie zuvor durch eine Urkunde des Propheten Muhammad geehrt worden sind. Er hat unter sie ein Siegel gesetzt und uns nachdrücklich befohlen, gütig zu ihnen zu sein.

 

l Die schöpferische Zusammenarbeit im islamischen Westen (Spanien) und Osten zwischen Juden, Christen und Muslimen auf wissenschaftlichem und philosophischem Gebiet ist ein Beweis für die Verwirklichung der koranisch gebotenen und von Umar verwirklichten Koexistenz.

 

l In der islamischen Geschichte wurde das Gebot der religiösen Toleranz oft durch kriegerische Auseinandersetzungen und andere Probleme überschattet.

 

l Besonders unter der Umaijadenherrschaft hatten Juden und Christen hohe Staatsämter inne und genossen großes Ansehen. Kopten besaßen jahrhundertelang das Monopol der ägyptischen Finanzverwaltung, und ägyptische Juden waren im ausgehenden und beginnenden 20. Jahrhundert einflussreiche Bankiers. Im Gegensatz zur Umaijadenzeit kam es während der Herrschaft der Abbasiden vermehrt zu Glaubensübertritten, die teilweise durch soziale und finanzielle Einschränkungen gegenüber Nichtmuslimen verursacht waren.

 

 

Unsachgemäß ist:

 

l die historische Vielfalt bei der Begegnung zwischen Muslimen und Nichtmuslimen zu ignorieren und die unterschiedliche Behandlung nichtmuslimischer Minderheiten zu verschiedenen Zeiten unberücksichtigt zu lassen;

 

l die gesellschaftliche und religiöse Ebene zu vermischen. In Glaubensdingen genossen die sog. Schriftbesitzer völlige Freiheit. Auf der gesellschaftlichen Ebene lag die Verantwortung für die Umma ausschließlich bei den Muslimen, woraus teilweise eine unterschiedliche Bewertung der nichtmuslimischen Bevölkerungsgruppen abgeleitet wurde. In diesem Zusammenhang hat die Beurteilung als „Bürger zweiter Klasse“ ihren Sinn.

 

l die in bestimmten Zeiten und Ländern zu beobachtende, politisch begründete Unterdrückung der Christen zu verallgemeinern und als islamisch bedingt zu kennzeichnen. Verwiesen sei hier auf die große gesellschaftliche und wirtschaftliche Anerkennung, die Christen z.B. in Ägypten genossen und noch genießen.

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