Türkische Küche
Türkische Küche
- W A R E N K U N D E -
Yayla, die Alm
Der Begriff »Yayla« ist mit »Alm« nur unzureichend
übersetzt. Die Yayla kann sowohl eine grasbewachsene Hochebene wie auch eine im
Gebirge gelegene, grüne Oase sein. Auf die kühlen Weideplätze, die oft
beschwerlich zu erreichen sind, ziehen im Sommer Familien mit ihren Schaf- und
Ziegenherden. Der Hausrat mit großen Kupferkesseln und Bettzeug wird auf Kamelen
und Pferden, heute teils auf Lastwagen, mitgeführt. Es ist immer ein besonderes
Erlebnis, einer solchen Karawane auf dem Weg in die Berge zu begegnen. Auf den
Hochebenen siedeln die von der Viehwirtschaft lebenden Familien bis zum
Wintereinbruch nach Nomadentradition in Zelten aus dunklem Ziegenhaar und
verarbeiten Milch zu Butter und Käse. Von hier stammt auch die »Yayla çorbası«,
die Almsuppe.
Eine Yayla-Kultur ganz anderer Art pflegen die Menschen an
der türkischen Mittelmeerküste. Wenn das Thermometer im Hochsommer auf 40 – 45°
klettert, ziehe vor allem ältere Leute, Frauen mit Babys und Kleinkindern, am
Wochenende auch Berufstätige, in ihre Sommerhäuschen ins Gebirge um, wo das
Klima angenehm frisch ist. Diese Feriensiedlungen liegen in wasserreichen Oasen.
Den Yayla-Aufenthalt nutzen die Frauen, um das Gemüse, das hier wächst, für den
Winter zu Konservieren. Es wird eingelegt, eingekocht, getrocknet oder zu Pasten
verarbeitet.
Linsen
Rote Linsen (Kırmızı mercimek) gehören zu den beliebtesten
Hülsenfrüchten der Türkei. Kein Wunder, der Vordere Orient ist ihre Heimat. Hier
wurden sie bereits um 7000 v. Chr. kultiviert. Das Hauptanbaugebiet der Linsen
liegt heute bei der südostanatolischen Stadt Şanlıurfa, im Bereich des Euphrat
und seine Nebenflüsse. Hier findet die Pflanze, die zu der Familie der
Leguminosen zählt, ideale Wachstumsbedingungen, nämlich trockene, sehr heiße
Sommer. Rote Linsen kommen bereits geschält in den Handel und benötigen keine
Einweichzeit. Während des Kochens verändert sich ihre Farbe von Orangerot in
mattes Gelb. Die Linsensuppe ist in der ganzen Türkei beliebt. Darüber hinaus
existieren eine Reihe anderer regionaler Gerichte mit dieser Hülsenfrucht wie
die Linsen-Laibchen (Mercimek köftesi) aus der südostanatolischen Stadt
Gaziantep. Grüne Tellerlinsen werden ebenfalls gerne gegessen, z.B. mit
Hackfleisch und Tomaten zusammen gekocht, doch erreichen sie nicht die
Beliebtheit der gelben Linsen. Wie alle Hülsenfrüchte besitzen auch die Linsen
einen hohen Eiweißgehalt, überdies wichtige Mineralstoffe wie Kalzium, Phosphor,
Eisen und B-Vitamine wie Niacin. Vor dem Kochen Linsen verlesen und kalt
abbrausen.
Tarhana
Bei Tarhana handelt es sich um eine Art Suppenmehl. das
ursprünglich von den nomadisierenden Türkvölkern Mittelasiens zu Konservierung
von Joghurt hergestellt wurde. So stand jederzeit ein zuverlässiges, nahrhaftes
Lebensmittel zur Verfügung. Auf ihren Vorstößen nach Westen nahmen die heutigen
Türken ihre Konservierungstradition mit und behielten sie, auch nachdem sie
sesshaft geworden waren, bei. So stellen nach wie vor die Hausfrauen im Sommer
Tarhana aus Bulgur, geschrotetem Weizen, und Joghurt her, die sie zu einem Brei
zusammenkochen, abtropfen lassen, mit Salz, Pfeffer, Tomaten, Paprika oder auch
mit Zwiebeln und Brühe anreichern. Diesen Brei drücken sie durch ein Haarsieb,
zerkrümeln ihn ganz fein mit den Fingern und lassen ihn in der Sonne trocknen.
Aufbewahrt wird Tarhana luftig in Baumwollsäckchen. Manche Hausfrauen reichern
ihr Tarhana an mit roten Beten oder mit ein wenig Minze. Es gibt auch eine
andere Zubereitungsart: Mehl mit Joghurt durchkneten einige Tage zum Säuern
beiseite stellen, den Teig in Würfel schneiden, trocknen und reiben. Auf
selbstgemachtes Tarhana legen die Türken großen Wert, obwohl es auch industriell
hergestellt wird. Vor allem dieses Tarhana wird exportiert.
Sesam & Tahin
Sesam, türkisch Sesam, wurden bereits im Reich Urartu (900
– 700 v. Chr.) in Ostanatolien angebaut. Die Nutzpflanze mit ihren hübschen
zartblauen Blüten findet man heute vor allem in der Mittelmeerregion und
Südostanatolien. Die Sesamkörner werden im Juli und August geerntet. Für Tahin,
Sesampaste, röstet man zuerst die kleinen Körnchen und mahlt sie sehr fein. In
Dörfern des Taurusgebirges kann man an Gebirgsbächen urtümliche Getreidemühlen
entdecken, mit denen auch Tahin hergestellt wird. Nach kurzem Ruhen setzt sich
bei der Paste das Öl oben ab und muss vor Verwendung gründlich untergerührt
werden. Sie sollten Tahin nicht lange aufheben, es wird leicht ranzig. Beliebt
ist die Paste mit Pekmez vermischt, eingedicktem Traubensaft, zum Eintippen von
frischem Fladen- oder Weißbrot. Die Männer trinken dazu gerne Rakı. Man
verwendet Tahin auch für Salatsaucen. Aus zerstoßenem Sesam, Zucker und
aromatischen Zutaten stellt man vor allem auch Helva her. Der Helvacı, der
Helvamacher, bietet die Süßigkeit in Blöcken gepresst an. Man genießt die
Portionsscheiben mit etwas Zitronensaft beträufelt und einem Glas Wasser zur
Geschmacksneutralisierung. Mit den Sesamsamen werden natürlich auch Brote und
Sesamkringel bestreut. Sesam enthält Vitamin A, G sowie die der B-Gruppe und
gild als Aphrodisiakum.
Eingelegtes
Gemüse und Früchte sauer einzulegen, entwickelten die
Türken zu einer wahren Kunst. Bereits unter Mehmet II., dem Eroberer
Konstantinopels (1453), gab es in der Küchenbrigade des Palastes einen
ausschließlich für Turşu, Eingelegtes, verantwortlichen Koch. Eingelegt werden
verschiedene Gemüsesorten, einzeln oder gemischt, in Salzwasser oder in
Salzwasser mit Essig, wie Gurken, kleine Kürbisse, Bohnen, Mais, Möhren und
Paprika. Besonders appetitlich sind rote oder grüne Paprikaschoten und kleine
Auberginen, gefüllt mit feinen Kohlstreifen und umwickelt mit Selleriestängeln.
Jeder Turşu-Hersteller legt wert auf eine dekorative Anordnung seiner Ware im
Glas. Früchte wie Pflaumen, Birnen, Quitten und Kirschen eignen sich auch zum
Einlegen. Turşu-Läden sind heute leider im Aussterben begriffen. Einer der
schönsten in Istanbul liegt im Stadtteil Cihangir. Zumindest die Karren der
Turşu-Händler gehören immer noch zum gewohnten Straßenbild in größeren Städten.
Auch der flüssige Inhalt der Gläser, das Einlegewasser, wird gerne getrunken.
Lahana turşusu, eingelegter Weißkohl, ist an der Schwarzmeerküste besonders
geschätzt, wo er gerne mit Knoblauch in der Pfanne gedünstet wird. Turşu fehlt
bei keiner Vorspeise. Im Winter wird es gerne zu Gerichten mit Hülsenfrüchten
gereicht.
Bulgur
Weizen wird in Anatolien seit Urzeiten kultiviert, zu Mehl
zerrieben oder im ganzen gekocht. Für ein Gericht aus ganzen Körnern müssen
diese über Stunden eingeweicht und lange gegart werden. Pfiffige Frauen kürzten
irgendwann einmal die mühselige Vorbereitung ab, sie erfanden den Bulgur. Dafür
lässt man einen bis zur nächsten Getreideernte ausreichenden Vorrat an
geschältem Weizen quellen. Dieser wird dann gekocht und getrocknet. Dann
zerschlägt man die Körner zu groben oder feinem Schrot, dem Bulgur. In luftige
Stoffsäcke verpackt, hält er sich über Monate und ist nach etwa 30 Min. Kochzeit
gar. Während die Städter den Bulgur fertig kaufen, stellen ihn die Bauern in den
Dörfern selbst her. Dazu tun sich meist die Familien zusammen. Die Männer
helfen, mit urtümlichen Holzstößeln bewaffnet, den Weizen zu zerstoßen. Diese
Kraftarbeit erledigen jedoch auch Frauen. Grober Bulgur wird wie Reis gekocht.
Feinen Bulgur verwendet man für Suppen, für Salat oder Für Bulgurröllchen. Er
ist auch für Tarhana (Suppenmehl) unentbehrlich.
Yufka
Aus Yufka, großen dünnen Teigblättern, werden in der Türkei
allerlei herzhafte und – mit hauchdünnen Blättern – süße Pasteten wie Baklava,
gebacken. Yufka dient außerdem zum Einwickeln von Käse, wie beim Sigara böreği.
Hergestellt werden die Blätter vom Meister dieses Fachs, vom Yufkacı, aber auch
von Mädchen und Hausfrauen selbst. Schon das Ausrollen des Teiges ist eine
Kunst, die langes Üben erfordert. Zum ausrollen wird ein dünnes langes Rollholz
von 1,5 cm Durchmesser verwendet. Bei dieser Arbeit sitzen die Frauen vor einer
großen runden Holzplatte im Schneidesitz auf dem Boden. In ihrer Nähe ist das
Holzfeuer, darauf ein nach oben gewölbtes rundes Backblech, genannt »Saç«. Auf
diesem Blech wird auch Saç ekmeği, das dünne, aus der Nomadenzeit stammende
Brot, gebacken, das Yufka ähnelt, nur ein wenig dicker und gröber ist als
dieses. Umgedreht verwendet man das Blech als Pfanne. Saç ekmeği wird gerne auf
Vorrat gebacken, übereinander gestapelt und in Tüchern aufbewahrt. Vor der
Verwendung sprengt man es mit Wasser ein, lässt es eine Weile eingewickelt
liegen, damit es weich wird. Zum Essen erhält jeder einen Fladen. Yufka gibt es
bei uns in türkischen Lebensmittelläden zusammengerollt oder gefaltet zu 3 oder
5 Blättern und in Folie verpackt.
Käse
Frischer Schafkäse, türkisch Beyaz peynir, in Blöcke
gepresst, in Lake eingelegt und daher mehr oder weniger salzig, ist der
beliebteste Käse der Türkei. Sein Fettgehalt liegt zwischen 35% und 75% i.d.Tr.
Der Käse kommt hauptsächlich aus den Regionen Thrakien, Mittelanatolien bei
Eskişehir und Ostanatolien bei Kars. Diese Gebiet liefert auch den Kaşar peyniri,
ein Schnittkäse, der, zu großen Laiben geformt, mit dem Alter immer würziger
wird. Ein echter Nomadenkäse ist Tulum peyniri, meist auf der Sommerweide, der
Yayla, hergestellt und in Ziegenhäuten zum abtropfen aufgehängt, so dass er sich
durch sein Eigengewicht presst. Dieser salzige, krümelige Käse wird zu Brot
gegessen oder zum Füllen von Börek (Teigpastete) oder Gözleme (Teigtaschen)
verwendet. Seltener zu finden ist Dil peyniri, faseriger Zungenkäse, der in
Zungenform oder in Strängen geflochten angeboten wird. Er ist ungesalzen, zart
schmelzend und wirdauch für Desserts verwendet. Lor peyniri ist ein
Ziegenfrischkäse. Als Spezialität Ostanatoliens im Gebiet der Stadt Van gilt
Otlu peyniri – ein krümeliger Frischkäse, gewürzt mit wildem Knoblauch.
Fisch
Die Türkei bezieht ihren Fisch aus drei Meeren: aus dem
Schwarzen Meer, aus dem Ägäischen Meer und aus dem Mittelmeer. Hinzu kommen noch
das an Istanbul grenzende Marmarameer und der Bosporus. Das Fischangebot ist in
Istanbul besonders sortenreich. Im Fischerort Sariyer weiß man aus Erfahrung
wann welche Fischzüge zu erwarten sind. Lieblingsfisch der Istanbuler ist Lüfer
(Blaufisch) und Palamut (Bonito), die gegrillt oder mit Gemüse zubereitet
werden. Vom Schwarzen Meer kommen Kalkan (Steinbutt), Zargana (Nadelhecht),
dessen Fleisch beim Braten grünlich wird, und Levrek (Meerbarsch). Eine Lokale
Spezialität am Schwarzen Meer ist Hamsi, eine Sardellenart, die im Winter in
Schwärmen in Küstennähe und am Bosporus auftaucht. Das Ägäische Meer und das
Mittelmeer liefern Kılıçbalığı, den beliebten Schwertfisch. Aus diesen Meeren
kommen auch Mercan (Rotbrasse), Barbnunya (Rotbarbe), Karagöz (Geißbrasse) und
Kefal (Meeräsche). An den Gebirgsflüssen im Landesinneren züchtet man Forellen,
die gegrillt oder in Butter oder Olivenöl gebraten werden. Die Seen
Mittelanatoliens versorgen Nordeuropa mit Süßwasserkrebsen.
Trockenfleisch
Aus der Notwendigkeit, in Perioden des Überflusses
dauerhafte Vorräte anlegen zu müssen, entwickelten die Türken eine kulinarische
Kunst. Ein Beispiel ist Pastırma, getrocknetes, in einer dicken Gewürzkruste
verpacktes Fleisch, das sich auch im heißen anatolischen Sommer aufbewahren
lässt. Für das Würzfleisch werden Lenden und andere feine Teile vom Kalb oder
Rind durch Steinblöcke beschwert, entwässert, gesalzen, luftgetrocknet und mit
Çemen, einer Gewürzpaste aus Kreuzkümmel, Bockshornklee, Paprikapulver und
Knoblauch, dick eingeschmiert, dadurch luftdicht verpackt und konserviert.
Früher wurde getrocknetes Fleisch hauptsächlich vor Beginn des Frühlings
gegessen, wenn die Herde nach langem hartem Winter geschont werden musste.
Zentrum der Pastırma-Herstellung ist die mittelanatolische Stadt Kayseri. Dort
werden in kleinen Läden am Basar die langen Pastırma-Stücke in Mengen angeboten.
Man erhält die Delikatesse inzwischen auch bei uns in türkischen
Lebensmittelläden. Vor dem Verzehr wird von Pastırma der größte Teil der zu
kräftig schmeckenden Gewürzkruste entfernt. Man schneidet das Fleisch in
hauchdünne Scheiben, serviert sie als Appetithappen zu Rakı oder brät sie mit
Eiern in der Pfanne. Pastırma würzt auch den Bohnen- und Kichererbseneintopf.
Bei gut abgehangenem Pastırma ist die Kruste trocken.
Gewürze & Kräuter
Der Besuch eines türkischen Gewürzbasars ist ein Fest für
die Sinne. Aus großen Säcken duftet es nach Zimt, Kreuzkümmel und Pfeffer. Zu
den Gewürzen und Kräutern, die in der türkischen Küche häufig verwendet werden,
gehören schwarzer Pfeffer, mildes und scharfes Paprikapulver und Kırmızı
pulbiber, geschrotete dunkelrote Paprikaflocken mit kräftigem Aroma. Sie werden
gerne bei Tisch über gegrilltes Fleisch gestreut, genau wie getrockneter Oregano.
Beim Köfteci, in den Grill-Lokalen, stehen Schälchen damit zur Selbstbedienung
auf dem Tisch. Für Hackfleischgerichte sind Kreuzkümmel und Piment
unentbehrlich. Ragouts und Gemüsefüllungen mit Reis gibt man gerne eine Prise
Zimt bei. Sumak, ein violettes, säuerliches Pulver aus der Frucht des
Essigbaums, wird zum Würzen von Bohnensalat und rohen Zwiebeln verwendet.
Çörekotu, Schwarzkümmel, streut man mit Sesam auf Fladenbrot. Man kann etwas
Çörekotu auch auf Schafkäse geben. Thymian kommt in Fleisch- und
Eintopfgerichte; frische und getrocknete Minze in Gemüsefüllungen mit Reis, in
Käsefüllungen für Pasten und in Suppen. Kombiniert wird Minze gerne mit Dill und
Petersilie.
Reçel
Reçel ist nicht einfach eine Art Konfitüre, die man zum
Frühstück auf frischem Brot genießt. Diese hausgemachte Spezialität bietet man
gleichzeitig seinen Gästen als köstliche Süßigkeit an. Reçel wird hauptsächlich
in den obstreichen Gebieten am Marmarameer, im Hinterland der ägäischen Küste
und am Mittelmeer vom Frühjahr bis zum Herbst hergestellt. Und für das Einkochen
der Früchte bringen Frauen viel Zeit auf. Zuerst lassen sie die Früchte in
Zucker Saft ziehen, dann nehmen sie die Früchte heraus, kochen aus dem süßen
Saft einen Sirup und lassen dann das Obst darin kochen. Besonders beliebt sind
Reçel aus Erdbeeren, Sauerkirschen, Pfirsich, Aprikosen, Pflaumen, Äpfel und
Quitten. Eine orientalische Note erhält Reçel, wenn es aus duftenden
Rosenblättern, kleine Feigen oder Schalen der Bergamotte hergestellt wird. Diese
Zitrusfrucht mit starkem Aroma verleiht auch Earl-Grey-Tee seine
charakteristische Note.
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