Stand: April 2006
Die Türkei als Beitrittskandidat
Die Europäische Union hat am 03.10.2005 offiziell die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei eröffnet. Dem liegt ein Beschluss des Europäischen Rates vom 17.12.2004 zugrunde, wonach (auf der Grundlage des Fortschrittsberichts der EU-Kommission vom 06.10.2004) festgestellt wurde, "dass die Türkei die Politischen Kriterien von Kopenhagen für die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen hinreichend erfüllt". Zuvor hatte die Türkische Regierung das Anpassungsprotokoll zum Ankara-Abkommen (s. u.) unterzeichnet, mit dem der Geltungsbereich der Zollunion auf die neuen EU-Mitgliedstaaten einschließlich der Republik Zypern ausgedehnt wird. Am 20.10.2005 wurde mit dem so genannten screening begonnen, d.h. mit dem Abgleich der EU-Regelungen mit der türkischen Gesetzgebung. Es soll 2006 abgeschlossen werden. Die Eröffnung erster Verhandlungskapitel ist ebenfalls noch 2006 geplant.
Dem Verhandlungsbeginn vorangegangen war die Verleihung des Kandidatenstatus an die Türkei durch den Europäischen Rat von Helsinki im Dezember 1999 und die Entscheidung des Europäischen Rates von Kopenhagen im Dezember 2002, auf der Grundlage eines Berichts und einer Empfehlung der Europäischen Kommission Ende 2004 über den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu befinden. Die Türkei musste sich dabei an den Kriterien messen lassen, die für alle Beitrittsländer gelten: Verhandlungsaufnahme erst, wenn die Türkei die so genannten politischen Kriterien von Kopenhagen erfüllt. Dies sind institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten.
Der Fortgang der Verhandlungen - das hat der am 03.10.2005 von der EU verabschiedete Verhandlungsrahmen präzisiert - hängt wesentlich von den weiteren politischen Reformen und ihrer Implementierung in der Türkei ab. Die EU wird die weiteren Fortschritte bei den politischen Reformen auf der Grundlage der überarbeiteten Beitrittspartnerschaft genau verfolgen, in der die Prioritäten des weiteren Reformprozesses festgelegt sind. Um die Unumkehrbarkeit der politischen Reformen und ihre vollständige und tatsächliche Durchführung, insbesondere hinsichtlich der uneingeschränkten Achtung der Menschenrechte, sicherzustellen, wird die Kommission dem Rat weiterhin jährlich berichten.
Beitrittspartnerschaft
Die erste Beitrittspartnerschaft wurde am 08.03.2001 vom Ministerrat der EU angenommen. Sie bestimmte Ziele und Prioritäten für die Erfüllung der Beitrittskriterien, die die Türkei kurz- und mittelfristig im Rahmen der Heranführung an die Europäische Union verwirklichen muss. Im April 2003 wurde die Beitrittspartnerschaft überarbeitet und enthielt nun neben Reformprioritäten auch finanzielle Unterstützungsleistungen. Am 23. Januar 2006 verabschiedete der Rat der EU eine erneut überarbeitete Beitrittspartnerschaft, die den Herausforderungen und Prioritäten der nunmehr begonnenen Verhandlungen Rechnung trägt und ein detailliertes Arbeitsprogramm für die Türkei enthält.
Unterstützung der Europäischen Union für die Türkei auf ihrem Weg zum Beitritt
Der Europäische Rat von Kopenhagen hatte im Dezember 2002 entschieden, die Heranführungsstrategie zu verstärken, um die Türkei auf ihrem Weg zur EU-Mitgliedschaft zu unterstützen. Nachdem die EU für die Türkei in 2002/2003 je 177 Mio. EUR bereitgestellt hatte, stiegen die Finanzhilfen auf 250 Mio. EUR (2004), 300 Mio. EUR (2005) und 500 Mio. EUR (2006): insgesamt 1.050 Mio. EUR (Zuschüsse) im Zeitraum 2004-06. Die Finanzierung erfolgt seit 2004 aus der Haushaltslinie "Heranführungshilfen". Die Finanzhilfen sollen der Türkei bei der Vorbereitung auf evtl. Beitritt anhand der Prioritäten der Beitrittspartnerschaft helfen. Die Türkei kann ferner auf Darlehen aus Mitteln der Europäischen Investitionsbank zugreifen.
Die Türkei nimmt ferner an "Twinning-Projekten" der EU teil, die dem Ziel dienen, die öffentliche Verwaltungskapazität der Beitrittsstaaten mittels des Einsatzes von Langzeitexperten aus öffentlichen Institutionen der Mitgliedstaaten zu stärken. Deutschland ist der mit Abstand am stärksten bei der administrativen Unterstützung der Türkei engagierte Mitgliedstaat und führt mit türkischen Partnern 19 von insgesamt 39 Projekten durch.
Die Türkei nimmt ferner an zahlreichen Programmen der Gemeinschaft teil und ist der Umweltagentur beigetreten.
Assoziierungsabkommen "Abkommen von Ankara" (1963)
Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) hat 1963 mit der Türkei das so genannte "Abkommen von Ankara" zur Gründung einer Assoziation geschlossen. Das Abkommen enthält in Art. 28 bereits eine Beitrittsperspektive: "Sobald das Funktionieren des Abkommens es in Aussicht zu nehmen gestattet, dass die Türkei die Verpflichtungen aus dem Vertrag zur Gründung der Gemeinschaft vollständig übernimmt, werden die Vertragsparteien die Möglichkeit eines Beitritts der Türkei zur Gemeinschaft prüfen." Mit Beschluss des Assoziationsrates EG-Türkei vom Dezember 1995 wurde auf der Grundlage des Assoziationsabkommens mit der Türkei eine Zollunion begründet. Die Unterzeichnung des Anpassungsprotokolls zum Ankara-Abkommen im Juli 2005 bedeutet aus türkischer Sicht nicht die Anerkennung der Republik Zypern. Die Ratifizierung und Umsetzung des Anpassungsprotokolls steht weiterhin aus. Die Türkei setzt sich für eine Lösung des Zypern-Problems im Rahmen der Vereinten Nationen ein (auf Grundlage des so genannten Annan-Plans).
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