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letzte Änderung 20.04.2008
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Die ital. Vergangenheiten

Hier möchte ich etwas zu den "Zeiten der Vergangenheit" schreiben.
Es handelt sich hierbei noch um ein "Arbeitspapier", das durch maluse, Melanie79 und kathihi "angeregt" wurde.
Es wird sich sicher noch einiges daran ändern ... Vorschläge und Verbesserungen werden immer gerne angenommen:

Einleitung - Was wird hier behandelt?


Welche Art?


Man unterscheidet unbestimmte Art (wird auch als "infinite Verbform" bezeichnet) und bestimmter Art ("finite Verbform").
D. h. bei der bestimmten Art kann ich am Verb entdecken, um welche Person(en) es sich handelt.

sento = ich fühle

Bei der unbestimmten Art kann ich das nicht, weil es entweder durch den Zusammenhang erkennbar ist, eine andere Zeitform damit zusammengestellt wird oder weil es eine allgemeine Aussage ist.

Andando a casa ha incontrato un amico. = Nach Hause gehend, hat er einen Freund getroffen. [od.] Als er nach Hause ging hat er einen Freund getroffen.

Sto andando a casa. = Ich gehe gerade nach Hause.

Perdere i vizi non fa male. = Die Gewohnheitslaster aufgeben, tut nicht weh.

In diesem Dokument findet ihr nur Infos zur finiten Verbform.

Welcher Modus/Form?


Jede Art kennt so seinen Modus/Form.

In der "finiten Verbform" gibt es:
Indikativ (Wirklichkeitsform/anzeigende Form),
Konditional (Eventualitätsform zur Einleitung einer Bedingung),
Konjunktiv (Form der Möglichkeit, Furcht, Wunsch, Zweifel, subjektiver Meinung, Wahrscheinlichkeit, Unwahrscheinlichkeit),
Imperativ (Befehlsform)

In der unbestimmten Art gibt es:
Gerund(ium)
Infinitiv
Partizip

Jede dieser Formen hat so seine möglichen Zeitformen:
Präsens (Gegenwart), Futur (Zukunft), Imperfekt, Perfekt, ...
Dabei müssen nicht immer alle Zeiten pro Form vorhanden sein.

Hier findet ihr nur die Indikativform.

Die verschiedenen Vergangenheiten


In der Indikativform gibt es die meisten Zeitformen. Da es im Italienischen auch Unterschiede in ihre Funktion/Bedeutung gibt, haben sie manchmal auch einen anderen Namen.

Passato prossimo ("nahe Vergangenheit")


Das "passato prossimo" ist mit dem deutschen "Perfekt" vergleichbar.

Es beschreibt eine eine Handlung/ein Ereignis deren Auswirkung bis in die Gegenwart oder bis kurz vor der Gegenwart reicht, somit kann sie auch abgeschlossen sein.

"Ieri sono stata in discoteca, oggi sono cotta."
"Gestern bin ich in der Discothek gewesen, heute bin ich kaputt/fertig."

"Sono quasi arrivata."
"Ich bin fast da." / "Ich bin fast angekommen."

Oft handelt es sich auch um ein einmaliges Ereignis oder eine Aufzählung hintereinanderfolgender einmaliger Ereignisse in der "nahen Vergangenheit", die im Zusammenhang stehen:

"Che cosa hai fatto oggi?" - "Sono stato a Roma, ho visto anche il Vaticano e poi mi sono riposato alla Piazza di Spagna."
"Was hast Du heute gemacht?" - "Ich bin in Rom gewesen, ich habe auch den Vatikan gesehen und an der "Piazza di Spagna" Rast gemacht.

Imperfetto ("unvollendete Vergangenheit") und Passato Remoto ("entfernte (abgeschlossene) Vergangenheit")


Das deutsche "Imperfekt" wird entweder als ital. "imperfetto" ("unvollendete Vergangenheit") oder als "passato remoto" ("entfernte (abgeschlossene) Vergangenheit") übersetzt.

U. a. deshalb spricht man heute in der deutschen Grammatik nicht mehr vom "Imperfekt" sondern vom "Präteritum".

"Er war ein guter/gutartiger Mann." verwendet man im Deutschen, wenn

1) wenn der Satz/das Fragment eine Sache/Aktion beschreibt, die in der Vergangenheit abgeschlossen wurde bzw. jetzt als abgeschlossen betrachtet wird, z. B. der Mann ist tot. ("abgeschlossene Vergangenheit")
ital: passato remoto: "Fu un buon uomo." (in Norditalien auch: "È stato un buon uomo.")

2) wenn ich eine vergangene Geschichte/Beschreibung/Situation erzähle und ich möchte dass ein anderer sich auch in diese hineinversetzt. Oft folgt noch etwas nach dem Satz.
ital. imperfetto: "Era un buon uomo".
Die Geschichte/die Beschreibung ist nach dem Satz/Satzteil also noch gar nicht abgeschlossen ("unvollendete Vergangenheit").

Interessanter Weise kann man im Deutschen dafür auch die Gegenwart (Präsens) verwenden:
"Gestern gehe ich so in München spazieren."
Auch im ital. Grammatikbuch finde ich das, man sollte aber wirklich die Finger davon lassen:
"Ieri vado a spasso a Monaco."


Aber wieder zurück zum eigentlichen Thema "l'imperfetto":
"Wie wir besprochen haben (=wir besprachen), ist der Betrag bezahlt worden."
"Come dicevamo, l'importo è stato pagato."
Dabei bezieht sich das "unvollendet" auf das "Wie wir besprochen haben/besprachen" und nicht auf die Zahlung, die ja eigentlich geleistet wurde. Der erste Teilsatz ist unvollendet!
Auf deutsch ist das auch so, hört oder liest man den Satz "Wie wir besprochen haben." ohne vorhergehende Erklärung, dann würde man sagen "Und? Weiter?"

Zusätzlich wird das "Imperfetto" verwendet, wenn ich die Betonung auf z. B. eine Wiederholung, vergangene Gewohnheiten oder Dauer in der Vergangenheit legen will.

Mentre ero a casa lui è arrivato.
Während ich zu Hause war, ist er angekommen.
Hier kann man sowohl die Dauer "während ich zu Hause war", als auch die Unvollkommenheit des Teilsatzes meinen:
"Während ich zu Hause war." ... führt dazu, dass man noch einen Folgesatz erwartet.

Der zweite Teilsatz schließt den Satz ab und stellt eine abgeschlossene Handlung/Ereignis dar, deshalb "passato prossimo".
Man kann auch sagen, das zweite Ereignis (die Ankunft) dauert nicht so lange wie der erste Teilsatz (die Situation zu Hause gewesen zu sein).

Mentre fumava non poteva entrare nell'edificio.
Während er/sie rauchte, konnte er/sie nicht in das Gebäude.
Hier ist im zweiten Teilsatz auch die Gleichzeitigkeit mit der gleichen Dauer erkennbar (nämlich so lange er/sie rauchte konnte er/sie auch nicht ins Gebäude). Man kann auch von einer Parallelität der beiden Situationen sprechen.
Ursache und Wirkung können auch ausgetauscht und mit "perché" verbunden werden:
Non poteva entrare nell'edificio perché fumava.

Pioveva tutta la settimana.
Es regnete die ganze Woche.
Betonung der Dauer.

Prendevo ogni giorno la via Roma.
Ich nahm jeden Tag die "via Roma".
Betonung der Wiederholung/Gewohnheit.

Vergangene mit z. B. "stare", "sembrare", "parere", "sentirsi", ... gebildete körperliche und emotionelle Zustände/Einschätzungen werden auch mit dem "imperfetto" beschrieben:
L'anno scorso stavo male.
Letztes Jahr ging es mir schlecht.

Eine zusätzliche Funktion des "imperfetto" gibt es auch noch:
Die Verwendung als Ersatz für das Konditional II ... Wird bei Modalverben und unpersönlichen Verben (z. B. "es reicht", "man sollte", "es ist nötig", ...) angewendet:

"Dovevi cambiare il tuo nome." = "Avresti dovuto cambiare il tuo nome."
"Du hättest Deinen Namen ändern sollen."

Also nochmal:

Für Fall 1) verwendet man im Italienischen also das "passato remoto".

Da wir Norditaliener aber das "passato remoto" eigentlich nur bei alten Geschichten, Fabeln, Legenden oder Märchen verwenden, wird dafür bei uns auch das "passato prossimo" verwendet.

Was sicherlich einen Zeitbruch darstellt ... ist uns aber ehrlich gesagt egal ;-)
Ganz im Gegenteil, die Verwendung des "passato prossimo" nimmt über Regionalgrenzen hinweg sogar zu. Im Deutschen ist das mit dem Perfekt scheinbar auch der Fall.

Für die Fälle in 2) das "imperfetto".

Beispielhafte Zusammenfassung


Sono stato a Monaco.
Ich bin in München gewesen.

sage ich,
- weil ich einen aktuellen Bezug zum Heute setzen will. ("Vergangenheit der Gegenwart")
- oder weil es in naher Vergangenheit passierte und ein abgeschlossenes Ereignis ist.
- oder weil ich Norditaliener bin und die Sache als komplett in der Vergangenheit abgeschlossen betrachte.


Ero a Monaco.
Ich war in München.

sage ich,
- weil ich die Betonung auf die Zeitdauer/Wiederholung legen will. ("Ero a Monaco tra 1970 e 2000." = Ich war zwischen 1970 und 2000 in München.)
-oder weil ich eine vergangene Geschichte erzählen will und da noch was folgt ("Gegenwart der Vergangenheit"), also noch unvollkommen in der Erzählung.
So zum Beispiel auch ein längerer Zustand bzw. eine längere Situation in der Vergangenheit. Dabei ist in dem (Teil-)Satz kein Abschluss der Situation erkennbar ... sie kann aber in der Realität bereits abgeschlossen sein. Z. B. "Als ich ein Kind war ..."/"Quando ero un bambino ...".
- oder bei gewissen Verben, die einen körperlichen oder emotionellen Zustand/Einschätzung beschreiben ("stare", "parere", "sembrare", ...).
- oder weil ich es bei bestimmten Verben als Ersatz für das Konditional verwenden kann (dovere, potere, conviene, ...).


Fui a Monaco.
Ich war in München.

sage ich,
- weil ich kein Norditaliener bin, weil ich es als abgeschlossen betrachte und weil es in der Vergangenheit abgeschlossen wurde. Z. B. auch "Fui a Monaco da 1970 a 1990." = Ich war von 1970 bis 1990 in München.
- oder weil das ja schon so lange her ist bzw. weil ich eine uralte Geschichte, Märchen o. ä. erzähle. ;-)


Hier ein Text, der alles beinhaltet:

"Er war ein guter Mann und sprach oft mit mir über das Mittelalter. Dann ging er nach Deutschland. Ich habe ihn nicht mehr gesehen."
"Era un buon uomo e spesso mi parlava del medioevo. Poi andò in Germania. Non l'ho più visto."
(Norditalien:) "Era un buon uomo e spesso mi parlava del medioevo. Poi è andato in Germania. Non l'ho più visto."

Ich weiß mit der "tollen" Geschichte gewinne ich keinen Preis. :-)

Signalwörter für's "imperfetto"


Oft wird im Forum die Frage gestellt, ob es Signalwörter gibt, die den Gebrauch des "imperfetto" anzeigen.
Ich persönlich halte nicht viel von diesen Wörter, denn oft findet sich auch ein Gegenbeispiel. Es gibt nur sehr wenige Wörter bei denen immer das "imperfetto" verwendet wird.
Wenn solche Wörter eine Dauerhaftigkeit/Gewohnheit oder eine Wiederholung verstärken oder betonen, kann man in diesem Fall auch von so einem Signalwort sprechen. Hier einige Beispiele für solche Signalwörter, die auch immer wieder im Forum auftauchen:
sempre, ogni giorno/mese/anno/sabato/venerdì/..., tutti i giorni, mentre, ancora, perché, ...

Beispiele und Gegenbeispiele:

Parlava sempre degli anni passati. Wiederholung/Gewohnheit
Ho parlato sempre bene di te. Vergangenheit der Gegenwart/Bezug zur Gegenwart

Non poteva entrare nell'edificio perché fumava. Parallelität in der Gleichzeitigkeit und Dauer
Mentre fumava non poteva entrare nell'edificio. Parallelität in der Gleichzeitigkeit und Dauer
Mentre fumava è arrivata la sua ragazza. Während einer andauernden Situation/Handlung tritt ein Ereignis ein.

Ogni venerdì andava in discoteca. Wiederholung/Gewohnheit
Fino a adesso da quando è arrivato ha giocato ogni venerdì. Bezug zur Gegenwart/Aneinanderreihung abgeschlossener vergangener Handlungen-Ereignisse.

Alle 3 di mattina guardava ancora la tv. ancora = immer noch ; Dauerhaftigkeit in der Vergangenheit
Andò/È andato ancora una volta a Monaco. ancora una volta = noch einmal ; abgeschlossenes einmaliges Ereignis
...

Wie man an den Beispielen sieht, kann man eigentlich nur mentre als echtes Signalwort bezeichnen.

"Trapassato prossimo" ("nahe Vorvergangenheit") und "trapassato remoto" ("entfernte Vorvergangenheit")


Diese Zeiten beziehen sich immer auf einen Teilsatz der bereits in der Vergangenheit passiert. Diese Zeiten benutze ich, um etwas anzuzeigen, dass vor dieser Vergangenheit passierte und abgeschlossen wurde (deshalb "Vorvergangenheit").

Die bekannteste Form ist das "trapassato prossimo" oder auch "piuccheperfetto" (=Plusquamperfekt [wörtl. "mehr als Perfekt"]) genannt.

Z. B.
Als ich nach Hause ging, hatte Luigi bereits angerufen.
Quando andavo a casa, Luigi aveva già chiamato.

Der Versuch des Anrufs fand statt und ist abgeschlossen, dies passierte bevor (vielleicht auch während) ich nach Hause ging (was auch in der Vergangenheit passierte).

Sapevo che l'aveva chiamato.
Ich wußte, dass er/sie ihn angerufen hatte.

Hier erkennt man das Einhalten der "Concordanza dei tempi" ("Einklang der Zeiten"). Im Hauptsatz ist es Vergangenheit ("imperfetto"), also bietet sich im Nebensatz ebenfalls Vergangenheit an (hier eine abgeschlossene Vergangenheit, wie "trapassato prossimo").

Die seltenere Form ist das "trapassato remoto":

Ich ging nach Hause, nachdem er angerufen hatte.
Andai a casa dopo che ebbe chiamato.

Diese Form wird nur noch angewendet, wenn die Teilsätze zeitlich zueinander passen (also z. B. die Verwendung von "passato remoto" in einem Teil) und der "trapassato remoto"-Teilsatz durch folgenden Wörter eingeleitet wird: quando = als, dopo che = nachdem, appena (che) = sobald, non appena = nicht sobald/bevor

Quellen/Literatur:
www.mauriziopistone.it/sintassi/frontespizio.html - Sintassi Italiana, R. Fornaciari, 1881/1974
"La lingua italiana", M. Dardano e P. Trifone, Zanichelli, 1985 - ISBN 88-08-05990-1
www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,344448,00.html - Zwiebelfisch ABC, Spiegel-Online
de.wikipedia.org/wiki/Italienische_Grammatik - Wikipedia "Italienische Grammatik"
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