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letzte Änderung 23.02.2010
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Rezension und Vorwort


zum Vorwort

„DIE HÄSIS UND DIE IGELIN“ - hinter diesem Titel verbirgt sich das elegante Modell einer gerechten und zugleich bequemen Sprache. Es führt zunächst deutlich vor Augen, wie meilenweit unsere deutsche Männersprache von einer Sprache entfernt ist, die beide Geschlechter als gleichwertig darstellt.

Das Behlertsche Konzept macht all jene Notbehelfe überflüssig, die das Deutsche in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend kompliziert und belastet haben (langwierige Doppelformen, Schrägstrich, großes I, etc.). Es ist in allen grammatikalischen Einzelheiten ausgearbeitet und voll funktionsfähig – lediglich etwas ungewohnt. Dies aber wird sich rasch ändern, wenn wir uns mit der neuen Sprache vertraut machen und versuchen, sie selbst zu benutzen.

Das Formenschema ist logisch und viel einfacher als das unserer hergebrachten Männersprache – daher dürfte das Erlernen kaum Schwierigkeiten bereiten. Ich selbst hatte die neuen Regeln nach einer Stunde erfasst und habe mich inzwischen recht gut an sie gewöhnt. In meinen Seminaren lasse ich regelmäßig „altväterliche Normaltexte“ in das sympathische, gerechte Neudeutsch übertragen.

Eine gerechte Sprache wird in das Unbewusste der Menschen eine Struktur einpflanzen, die uns von Kindheit an und mit jedem Satz, den wir hören, sprechen oder lesen, für Geschlechtergerechtigkeit „programmiert“. So bleibt also zu hoffen, dass die von M. Behlert vorgeschlagene Version des Deutschen bald von vielen Menschen – Frauen, Männern und Kindern – verinnerlicht und benutzt wird.

Prof. Dr. Luise F. Pusch





zur Rezension

Die Märchen in diesem Buch sind in einem ungewohnten Deutsch wiedergegeben. Es ist eine Sprache, die der Tatsache gerecht wird, dass Frauen und Männer zwar verschiedene, aber gleichwertige Menschen sind.
Das generische Maskulinum, d.h. die ererbte männliche Form für die Vermittlung geschlechtsneutraler Inhalte, wurde durch eine Form ersetzt, die beide Geschlechter gleichberechtigt einschließt. Einzelbegriffe, die eine Zurücksetzung und Abwertung der Frauen zum Ausdruck bringen, wurden abgewandelt.
Die geänderten grammatischen Regeln stellen ein in sich geschlossenes, logisches System dar, das leicht zu erfassen und zu erinnern ist. Eine Begründung der strukturellen Änderungen findet sich in der Erläuterung. Im Anschluss daran sind alle Regeln, die von der herkömmlichen deutschen Grammatik abweichen, in übersichtlicher Form zusammengefasst. Eine Liste enthält jene Wörter, die wegen ihres unmittelbaren oder mittelbaren patriarchischen Charakters umgestaltet wurden.
Die Wahl von Grimms Märchen für eine Urveröffentlichung dieser Sprache hat mehrere Gründe. Schon deren erste, im Jahr 1812 erschienene Ausgabe war eine Präsentation verschiedener sprachlicher Varianten, da ein guter Teil dieser Erzählungen zunächst in Mundarten niedergeschrieben wurde, die erheblich voneinander und vom hochdeutschen Standard abweichen. Vor etlichen Jahren erschien eine weitere Varietät, nämlich die Wiedergabe einiger dieser Märchen im modernen Jugendslang (Uta Claus, Rolf Kutschera: „Total tote Hose - 12 bockstarke Märchen“; Eichborn Verlag 1984). Unter diesem Blickwinkel knüpft die vorliegende sprachliche Fassung an eine lange Tradition an. Im Unterschied zu den vorangegangenen ist sie jedoch nicht Abbild einer bereits verbreiteten Sprachform, sondern soll Perspektiven für die mögliche künftige Entwicklung des Deutschen aufzeigen.
Viele dieser Märchen sind, wenn nicht allen, so doch fast allen Menschen, die mit der deutschen Sprache aufgewachsen sind, seit der Kindheit vertraut. Eine erneute Beschäftigung mit ihnen ruft daher sprachliche Eindrücke aus einer frühen Phase unseres individuellen Spracherwerbs wach und führt unter Umständen zu einer neuen Bewertung.
Zudem zählen Märchen zu den wenigen literarischen Werken, die sowohl Kinder als auch Erwachsene faszinieren können. Menschen im frühen Schulalter werden die ungewohnte Sprache sicher lustig finden und deshalb viel Spaß beim Lesen haben. Indem sie aber zunehmend vom Inhalt in den Bann gezogen werden, erfassen und verinnerlichen sie die geänderte Struktur, auch ohne das Regelwerk studiert zu haben.

Zur Vermeidung eines krassen Missverhältnisses zwischen sprachlicher Form und inhaltlicher Aussage sah ich mich veranlasst, zahlreiche Passagen, bisweilen auch ganze Erzählungen, in mehr oder weniger erheblichem Maß umzufabulieren. Immerhin spiegeln Grimms Märchen adäquat die patriarchischen Verhältnisse der vergangenen Jahrhunderte wider. Dies wird schon daran deutlich, dass nahezu drei Viertel von ihnen mit den Worten „Es war einmal ein Mann/Bauer/Vater/König ...“ oder ähnlich beginnen, während nur etwa jede siebte Erzählung mit einer weiblichen Figur einleitet.
Die vorliegenden Fassungen sind Ausdruck meines Bemühens, Männer und Frauen in gleichem Umfang zur Geltung kommen zu lassen und dabei den unverhältnismäßig hohen Anteil negativer Frauengestalten (kannibalische Hexen, böse Stiefmütter, dumme und gierige Ehefrauen, faule und eitle Töchter etc.) zu reduzieren, der ja vor allem dem Zweck dient, die Unarten der Männer zu verschleiern (und zwar sowohl vor den Frauen als auch vor den Männern selbst)*.

Ich wünsche viel Vergnügen beim Lesen und neue Erkenntnisse darüber, wie sich unsere Sprache sinnvoll und im Interesse einer Menschen würdigen Gesellschaft gestalten lässt.

Matthias Behlert


*In diesem Zusammenhang erscheint es psychologisch bemerkenswert, dass wir männlichen Negativcharakteren in den Märchen nicht nur wesentlich seltener begegnen, sondern dass diese praktisch immer in irgendeiner Maskierung auftreten, z.B. als dumme, gewalttätige Riesen oder gemeine, garstige Zwerge. (Diese sind um ein Mehrfaches größer bzw. kleiner als gewöhnliche Männer und somit eigentlich gar keine Menschen.)

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