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letzte Änderung 26.01.2008
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Comics als Spiegel der Gesellschaft

Comics als Spiegel der Gesellschaft - ein kleiner geschichtlicher Überblick.

Eine Karikatur ist kein Comic. Aber wie auch beim jüngsten Streit um gezeichnete Bilder, waren Comics im Laufe ihrer Geschichte immer wieder eine direkte Reaktion auf politische Verhältnisses, und standen teilweise unter einer Kritik, die der um die Mohammedbilder sicher nahe kommt.

Dick Tracy von Chester Gould brachte 1931 erstmals Gewalt in den Comic. Bis dorthin war Gewaltdarstellung immer spaßig und Klamauk. In Dick Tracy wurden Verbrecher mit Säure übergossen, verbrannt oder erschossen. Es war die Zeit der Prohibition und die Bandenkriege von Gangstern dominierten die Tagesthemen. Dick Tracys Methoden und die sowohl inhaltliche als auch stilistische schwarz/weiß Zeichnung seiner Welt war eine direkte Reaktion auf das politische Umfeld: „ Die Geschworenen waren bestochen, die Richter waren bestochen, und die anständigen Bürger wollten sehen, dass endlich jemand durchgreift.“, so Gould.

Auch nicht zimperlich gingen die ab 1938 den Comic dominierenden Superhelden mit ihren Gegenspielern um: Als 1941 erstmals Jack Kirby und Joe Simon Captain America veröffentlichten, versetzte dieser auf der Titelseite Adolf Hitler einen kräftigen Kinnhaken. Amerika befand sich zwar noch nicht im Krieg aber der Comic lieferte die Vorlage, wie mit dem neuen Feind aus Übersee am besten umzugehen wäre – in der Luft lag der Krieg ohnehin. Auch für den bereits veröffentlichten Superman waren Abenteuern gegen Nazis und Hitler ganz normal. Der patriotische Comic erlebte mit dem Krieg einen Boom und unzählige Superhelden erschienen. Mit dem Ende des Krieges 1945 gingen den meisten aber der große Gegenspieler verloren und sehr viele Serien wurden wieder eingestampft.

Dieses Problem umgangen ab 1950 eine Reihe von Heften, die anstatt auf einen speziellen Helden auf wiederkehrende Erzähler bauten, die die Geschichten „von außen“ erzählten. So erlebte mit der Serie The Crypt of Terror von Bill Gaines und Al Feldstein der Horrorcomic eine kurze Hochblüte. Deren erstes Heft war bereits voll von blutrünstigen Werwölfen und geistesgestörten Serienmördern. Die Beliebtheit der Serien und deren Inhalte lieferte aber auch Zündstoff für die bereits seit 1948 laufende öffentliche Diskussion über den Schaden, den Comics bei den jugendlichen Lesern anrichten können sollten. So wurde mit Studien ein Zusammenhang zwischen Jugendkriminalität und Comickonsum unterstellt, Comicverlegern packte mit dem Teufel vorgeworfen und es gab öffentliche Comicverbrennungen. Die Branche selbst reagierte mit einem Gütesiegel, dem Comics Code, der den Jugendschutz sicherstellen sollte. Fortan war es unter anderem untersagt zu fluchen, Sympathie für Verbrecher zu zeigen oder Nacktheit darzustellen. Comics ohne Zertifizierung wurden damit beinahe unverkäuflich, mehr als die Hälfte aller angebotenen Serien verschwanden und der Absatz der Hefte verringerte sich zwischen 1953 und 1955 um drei Viertel. Erst zwanzig Jahre später, 1971, wurde der Code zum ersten Mal liberalisiert. Nach einer zweiten Novelle 1989 spielt der Code heutzutage keine nennenswerte Rolle mehr.

Ab 1968 konnte Zap Comix von Robert Crumb deshalb nur durch Undergroundverlage verbreitet werden. Gewalt, Drogen und Sex, schlicht fast alles was der Comics Code untersagte, lieferten den Grundstoff für Crumbs freizügigen und anarchischen Humor. Der Erfolg von Crumb ist gleichzeitig stark an die Hippiekultur gekoppelt: Auf deren breitenwirksamen Höhepunkt war Crumb ein Held seiner Zeit und Undergroundverlage veröffentlichten feministische, schwule oder die Ökologie betreffende Comix. Mit dem Ende von Flower Power schwand wieder die Nachfrage, und die Lockerung des Comic Codes beendete automatisch die Notwendigkeit der Undergroundverlage. Der Comic als Kunstform aber hatte sich etabliert. Waren bis Superman Comics ausschließlich für Erwachsene gemacht, konnten sie es ab Zap Comix wieder ungefiltert sein.
Nicht ohne teils heftige Kritik veröffentlichte Art Spiegelman 1985 in Buchform den erst Teil von Maus, dessen einzelne Kapitel ab 1980 bereits im Magazin Raw erschienen waren. Erzählt wird die Geschichte seines Vaters, von seinen Anfängen als Textilvertreter in Tschenstochau bis zum Überleben des Holocaust in Auschwitz, aber auch die Probleme im Umgang mit seinem von der Erinnerung gepeinigten Vater und die moralischen Probleme des Schreibens der Geschichte selbst.

Als 1991 Maus fertig erzählt war und 1992 auch den Pulitzerpreis bekam, waren die Grenzen zwischen Unterhaltung, Literatur, Journalismus und autobiographischer Erzählung längst verschwommen.


[Diesen Text hab ich für das österreichischen Studentenmagazin PROGRESS geschrieben.]
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